Die Inflation in der Türkei liegt bei mehr als 70 Prozent, laut inoffiziellen Berechnungen sogar noch höher. Trotzdem begehren die Bürger nicht auf, denn viele haben Angst, ins Gefängnis zu kommen.
„Schwester, kannst du das Mikrofon ausmachen?“, bittet ein Teppichverkäufer in der Altstadt von Istanbul, bevor er sich zur Wirtschaftslage äußern mag. Wer solle ihm kleinen Mann denn helfen, wenn er eingesperrt werde, fügt er entschuldigend hinzu, wo doch selbst die prominenten Intellektuellen nicht mehr freigelassen würden. Grundsätzlich sei es ja nicht verboten, eine Meinung zu äußern, räumt er ein, nachdem er sich noch einmal umgesehen hat, ob auch wirklich niemand in Hörweite ist. „Wenn ich jetzt zum Beispiel sagen würde, dass Deutschland an unserer Wirtschaftsmisere schuld ist, dann wäre das in Ordnung – das könnte ich ins Mikrofon sagen.“ Die erdrückende Inflation zu beklagen und die Wirtschaftspolitik der türkischen Regierung zu kritisieren, das sei dagegen zu riskant – auch wenn er da viel zu beklagen habe.
Sein Geld reiche hinten und vorn nicht mehr, sagt der Mann, der in einem Teppichgeschäft angestellt ist. Bei 73,5 Prozent liegt die offizielle Inflation in der Türkei mittlerweile, so hoch wie seit 1998 nicht mehr. Regierungsunabhängige Experten und die Opposition werfen der Regierung vor, diese schockierende Zahl sei noch geschönt. Enag, eine Gruppe unabhängiger Wirtschaftswissenschaftler, beziffert die Inflationsrate mit 160 Prozent.