Morgenglosse

Das Scheckbuch ist mächtiger als das Schwert – aber auch langsamer

Neue Sanktionen gegen Putin, wenn doch die alten bis dato wenig Wirkung gezeigt haben? Wer von Zöllen und Embargos sofortige Wunder erwartet, wird enttäuscht werden. Der Zahltag für Russland kommt erst.

Warum wirken die Sanktionen gegen Russland bloß nicht? Warum nimmt Wladimir Putin, der Kriegstreiber im Kreml, Monat für Monat Milliardenbeträge ein, anstatt endlich bankrott zu gehen? Wann hört der Albtraum in der Ukraine auf? Je länger das Blutvergießen in der östlichen Nachbarschaft der EU andauert, desto höher die Lautstärke, in der diese Fragen gestellt werden. Und dass die Staats- und Regierungschefs der führenden demokratischen Industrienationen soeben neue Pönalen gegen Putin beschlossen haben, trägt auch nicht unbedingt zur Beruhigung bei, denn: Wozu noch tiefer ins eigene Fleisch schneiden, wenn doch die vorherigen, turmhoch aufeinander gestapelten Sanktionspakete für die sprichwörtlichen Fisch' sind?

Vier Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sieht sich das europäische Führungspersonal mit einem veritablen Kommunikationsproblem konfrontiert. Dass der Westen nicht direkt gegen Russland ins Feld ziehen wird, ist wichtig und richtig. Ebenso wichtig und richtig ist das sukzessive Drehen an der Sanktionsschraube. Der Haken an der Sache ist nur, dass Sanktionen in der Hitze des geopolitischen Gefechts zu einem sofort wirkenden Allheilmittel stilisiert wurden, um den Krieg zu beenden. Dabei weiß jeder Kenner der Materie, dass ökonomische Strafmaßnahmen erst langsam ihre kumulierte Wirkung entfalten. Der Wahrheit am nächsten kam in den ersten Tagen des Kriegs Deutschlands Außenministerin, Annalena Baerbock, die - vom russischen Angriff ins Mark getroffen - davon sprach, der Westen werde Russland ruinieren.

Von derart klaren Worten nimmt man mittlerweile Abstand, um den Diktator nicht weiter zu reizen. Dabei ist Baerbocks Aussage vom Februar nach wie vor aktuell: Das Ziel der Sanktionen ist es, Russlands Wirtschaft so klein zu kriegen, dass Putin bzw. seine Nachfolger nicht mehr imstande sind, weitere Kriege anzuzetteln. Wer sich von Strafzöllen und Embargos unmittelbare Wirksamkeit und Hilfe für die ums Überleben kämpfende Ukraine erhofft, wird zwangsläufig enttäuscht sein. Ob die Sanktionen gewirkt haben, wird sich nicht in drei Monaten zeigen, sondern in drei Jahren. Denn das Scheckbuch ist mächtiger als das Schwert. Es ist allerdings auch deutlich langsamer.

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