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Quergeschrieben

Der Intimverkehr ist für die Rollengestaltung irrelevant

Kann nur ein homosexueller Schauspieler einen Schwulen spielen? Colourblind Casting ist das erfrischende Gegenkonzept zum Authentizitätsmodell.

In den 1990er-Jahren spielte Tom Hanks in dem Aids-Drama „Philadelphia“ einen mit HIV infizierten Yuppie-Anwalt, der wegen seiner Homosexualität am Arbeitsplatz gemobbt wurde und schließlich an der damals noch unheilbaren Krankheit starb. Hanks bekam den Oscar für die beste Hauptrolle. Heute würde er als Hetero diese Figur mangels Authentizität nicht mehr spielen, sagte er unlängst in einem Interview mit der „New York Times“. Diese Anbiederung an den politisch hyperkorrekten Meinungsmarkt sei dem großartigen Schauspieler verziehen. Schließlich bevorzugt Hollywood ja tatsächlich die Kongruenz von Rolle und Biografie, wobei dann aber streng genommen nicht nur Heteros keine schwulen, lesbischen oder queeren Figuren spielen, sondern auch Schwule und Lesben keine heterosexuellen Rollen mehr annehmen und genderfluide Menschen ausschließlich genderfluide Charaktere darstellen. Abgesehen davon, dass es außerhalb der eigenen vier Wände genau niemanden etwas angeht, wer mit wem wie oder wie nicht intim verkehrt, solange es im Einverständnis aller am jeweiligen Akt Beteiligten geschieht, wäre dies allerdings künstlerischer Unfug der Sonderklasse. So tun als ob, in andere Identitäten schlüpfen, die Geschichte von Menschen erzählen, die völlig anders ticken als man selbst, ist schließlich die Essenz der Schauspielkunst, lediglich mediokre Darsteller stellen am liebsten sich selbst dar. Wie Hanks es mit seinen Authentizitätsansprüchen in Bezug auf seine zahllosen anderen Filme hält, blieb übrigens ungeklärt.