Soziales

Unleistbare Pflege zuhause?

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++ THEMENBILD ++ PFLEGE / KRANKENPFLEGE / PFLEGEREGRESS / ALTENPFLEGE / GESUNDHEITAPA/HELMUT FOHRINGER
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Wirtschaftskammer und Pflegevertreter fordern eine Anpassung der Förderung für 24-Stunden-Betreuung – und warnen vor Engpässen.

Wien. Vor 30 Jahren änderte sich Alfred Schöfbergers Leben – mit einem Schlaganfall. Seitdem ist seine Frau halbseitig gelähmt und kann sich nicht mehr artikulieren. Schöfberger entschied sich, sie zu Hause zu pflegen. „Diese Entscheidung wird einem nicht leicht gemacht.“
Denn Schöfberger fühlt sich allein gelassen. 22 Jahre lang pflegte er seine Frau selbst, dann holte er sich Hilfe von einer 24-Stunden-Pflegekraft. Um die Kosten zu tragen, musste der heute 82-Jährige sein Einfamilienhaus verkaufen. Denn das Geld, das er vom Staat bekomme, reiche bei weitem nicht aus. „In Österreich heißt es immer, wir haben das beste Sozialsystem. Dem ist nicht so.“

Schöfberger fordert gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Wien (WKW), Angehörigen- und Pflege-Vertretern am Dienstag vom Gesundheitsministerium, die Anpassung der Förderungen für 24-Stunden-Pflege von 550 auf 700 Euro. Auch die Pflegestufen sollten erhöht werden, verlangt die Wirtschaftskammer. Denn viele Betroffene würden sich die Pflege zu Hause angesichts der Teuerung nicht mehr leisten können.

30.000 Familien betroffen

„Seit 2007 gab es bei der Förderung keine Valorisierung mehr“, sagte Harald Janisch, Chef der Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung in der WKW. Für die 30.000 Familien, die in Österreich die Hilfe einer 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nehmen, sei die Lage „dramatisch.“ Umso besorgter sei Janisch darüber, dass die selbstständigen Pflegekräfte bei der anstehenden Pflegereform nicht berücksichtigt würden – im Gegensatz zu den unselbstständig tätigen. Doch diese würden nur etwa ein Prozent ausmachen, berichtete Janisch. „Die Masse bleibt im Ungewissen.“

70.000 Personenbetreuerinnen sind hierzulande tätig. Für die oft aus dem Ausland stammenden Pflegekräfte gibt es zwar seit 2007 das Modell, legal und selbstständig zu arbeiten, „aber es geht es sich mit dem Geld nicht mehr aus“, sagt Bibiana Kudziova, selbst Personenbetreuerin und Vertreterin der Berufsgruppe in der WKW. Einige Betreuerinnen hätten angesichts der auch in den Herkunftsländern gestiegenen Lebenshaltungskosten bereits den Beruf gewechselt, ein Engpass bei den Pflegekräften drohe, warnt Kudziova.

65 Euro brutto pro Tag, so viel bekommt eine 24-Stunden-Pflegekraft nun seit 15 Jahren. Mit der Arbeit in einer Fabrik sei ihre Tätigkeit nicht zu vergleichen, sagt Kudzovica. Ihr Tag beginne um 6 Uhr, sie müsse eine 90-Jährige aus dem Bett heben – „ohne Hebellift, der ist für Zuhause schwer zu bekommen“. Nur wenn ihre Kundin gute Tage habe, komme Kudzovica zu einer Pause oder zu einer ruhigen Nacht. Sie fordert neben der Valorisierung einen „Fairnessbonus“ für jene Familien, die sich zu Mindesthonoraren – abhängig von der Pflegestufe – verpflichten.
Schöfberger etwa kommt mit dem Pflegegeld plus Förderung für die 24-h-Stunden-Pflege auf etwa 2000 Euro staatliche Unterstützung. Ein Platz in einem Pflegeheim würde den Staat mehr als das doppelte Kosten, wird argumentiert. „Der Staat spart sich bei mir viel Geld“, sagt der 82-Jährige.

Angehörige zu Hause zu pflegen würde viele Menschen an die Armutsgrenze drängen, berichtet auch Birgit Meinhart-Schiebel, Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger - fast eine Million in Österreich. „80 Prozent davon leisten häusliche Pflege, davon sind wieder 80 Prozent Frauen.“ Die Abschaffung des Pflegeregresses 2018 verhindere zwar, dass das private Vermögen angezapft werde – aber nur, wenn man in ein Heim ziehe.

„Eventuell nachschärfen“

Aus dem Gesundheitsministerium heißt es zur „Presse“, man werde sich die Kritik zur Pflegereform ansehen und „eventuell noch nachschärfen“. Pflegeberufe müssten besonders attraktiv gestaltet werden, um dem erheblichen Fachkräftemangel entgegenzuwirken. „Diese Pflegereform ist nur ein erster Schritt, weitere werden folgen“, so ein Sprecher. Mit einem Angehörigenbonus sowie erhöhtem Pflegegeld sollen auch pflegende Familien unterstützt werden.

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