Pizzicato

Der Calcio und die Rettung Italiens

Ist ein Fußballer – oder genauer: ein Ex-Fußballer – per se ein besserer Bürgermeister, weil er sich einst darauf verstanden hat, Tore zu erzielen und die Massen zu begeistern?

Und was, wenn die Tore und die Erfolge ausbleiben, wenn sich der Müll in den Straßen stapelt, wenn die Kommunalsteuer steigt und überhaupt alles vor die Hunde geht? Ist es dann zulässig, dem Stadtchef vorzeitig – vor dem nächsten Wahltermin – die Rote Karte zu zeigen?

Derlei Fragen stellen sich gerade die Bürger Veronas, die Damiano Tommasi – den Ex-Nationalspieler bei Hellas Verona und AS Roma – zu ihrem Bürgermeister erkoren haben. Der 48-Jährige, ein untypischer Kicker, Zivildiener und späterer Chef der Fußballergewerkschaft, durchlief als Sportler eine Lebensschule. Im Zugeeiner Verletzungspause verzichtete er sogar auf seine fürstliche Gage.

Im Wahlkampf zog der Katholik und sechsfache Vater durch die Viertel und hörte zu, was Wähler und Fans zu sagen hatten. Als Unabhängiger schaffte er die Sensation in der rechten Hochburg und jagte den Bürgermeister der Fratelli d'Italia aus dem Amt. Ein „Fratello d'Italia“ ist er selbst, wie es in der Nationalhymne heißt, die er jahrelang inbrünstig geschmettert hat. Die Rettung Italiens liegt womöglich ja doch im Calcio, im Fußball – wenngleich die Squadra Azzurra bei der WM zum Zuschauen verdammt ist. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2022)

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