"Historische Entscheidungen"

"Nato ist wieder da": Gipfel in Madrid sendet "unzweifelhafte Botschaft" an Russland

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Präsident Joe Biden.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Präsident Joe Biden. REUTERS
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„Putin bekomme jetzt mehr Nato", sagt der britische Premier Boris Johnson und betont die Entschlossenheit zur militärischen Stärkung der Nato-Ostflanke. Generalsekretär Stoltenberg spricht von „historischen Entscheidungen“.

Die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten sind in Madrid zu einem Gipfeltreffen zusammengekommen. "Es wird ein umgestaltender Gipfel, denn wir werden historische Entscheidungen treffen", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch zum Auftakt. "Heute ist eine Gelegenheit zu zeigen, dass die Nato wieder da ist", sagte der niederländische Premier Mark Rutte. Kreml-Chef Wladimir Putin "bekommt jetzt mehr Nato", ergänzte der britische Premier Boris Johnson.

Der Gipfel werde die Nato "auf Jahre hinaus verändern", sagte Stoltenberg bei einem gemeinsamen Auftritt mit US-Präsident Joe Biden. Dieser sprach ebenfalls von einem "historischen" Gipfel und unterstrich, die Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags sei "heilig". Vom Gipfel werde die "unzweifelhafte Botschaft" ausgehen, dass die Nato stark und geeint sei. Zugleich kündigte der US-Präsident die Verlegung weiterer amerikanischer Verbände nach Europa an, darunter ein fünftes Hauptquartier der europäischen US-Streitkräfte in Polen. Die Nato werde so ausgestattet, um Gefahren aus allen Richtungen, an Land, aus der Luft und zur See, begegnen zu können, betonte Biden.

Waffen an die Ukraine - „so lange wie notwendig"

Der Gipfel steht im Zeichen des Ukraine-Krieges und der Aufnahme der nordischen Staaten Schweden und Finnland. Nach einem Spitzentreffen am Dienstagnachmittag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan überraschend sein Veto zurückgezogen, womit der Weg frei ist für die Unterzeichnung der Beitrittsprotokolle mit dem 31. und 32. Mitglied der Allianz. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz begrüßte die Erweiterung. "Beide Länder passen sehr gut zu unserem Bündnis", sagte der Norddeutsche. Neben der humanitären und finanziellen Hilfe werde man auch "Waffen zur Verfügung stellen, die die Ukraine dringend braucht", sagte er. "Die Botschaft ist: Das werden wir so lange fortsetzen und auch so intensiv fortsetzen, wie es notwendig ist, damit die Ukraine sich verteidigen kann."

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warf Putin indes vor, Vertrauen zerstört zu haben. "Wir wollten in Frieden weiter mit Russland leben. Es war nie Ziel der Nato, in Konfrontation mit Russland zu gehen", sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch dem Fernsehsender "Welt". Es sei versucht worden, Vertrauen zwischen der Nato und Russland aufzubauen, etwa mit der Nato-Russland-Grundakte. "Aber dieses Vertrauen hat Russland im wahrsten Sinne des Wortes in die Luft gesprengt", sagte Baerbock. "Wir haben alles dafür getan, weiterhin in Frieden zu leben, deswegen haben wir ja in den letzten Jahren nicht so massiv aufgerüstet", so Baerbock. "Jetzt ist es leider notwendig, weil der russische Präsident uns dazu zwingt."

Neues strategisches Konzept

Gastgeber Pedro Sánchez sagte, dass das Bündnis eine starke Botschaft an den russischen Aggressor Putin senden werde: "Sie werden nicht siegen." Johnson hob seine Entschlossenheit zur militärischen Stärkung der Nato-Ostflanke hervor. "Falls Wladimir Putin gehofft hat, als Resultat seiner nicht provozierten, illegalen Invasion in die Ukraine weniger Nato an seiner westlichen Front zu bekommen, lag er komplett falsch. Er bekommt mehr Nato", sagte er. Rutte betonte, dass das Bündnis so lange Waffen an die Ukraine liefern werde, wie dies notwendig sei. Ähnlich äußerte sich auch der deutsche Kanzler Scholz, der zugleich die Bereitschaft seines Landes bekräftigte, die von Russland bedrohten östlichen Nato-Staaten zu schützen.

Die 30 Nato-Staaten treffen sich am Mittwoch und Donnerstag in der spanischen Hauptstadt. Stoltenberg hob die Geschlossenheit der Allianz und ihre Fähigkeit, sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Er verwies unter anderem auf das neue strategische Konzept, das in Madrid vereinbart werden soll. Zudem werde die größte Überarbeitung der gemeinsamen Verteidigung seit dem Kalten Krieg sowie ein umfangreiches Paket zur Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland beschlossen. Auch die erwartete Beitrittseinladung der Nato-Staaten an Schweden und Finnland nannte Stoltenberg historisch.

Mit Blick auf das strategische Konzept erwarte er, dass deutlich gemacht werde, dass Russland "eine direkte Bedrohung unserer Sicherheit" darstelle, sagte Stoltenberg. China sei eine Herausforderung für die Werte, Interessen und Sicherheit der Nato.

Aufstockung schneller Eingreiftruppe

Schon im Vorfeld des Gipfels hatte Stoltenberg eine drastische Aufstockung der schnellen Eingreiftruppe der Nato bekanntgegeben. Statt bisher 40.000 Soldatinnen und Soldaten soll sie künftig 300.000 umfassen. Diese Eingreiftruppe soll im kommenden Jahr einsatzfähig sein. "Sie werden in ihren eigenen Ländern stationiert, aber schon bestimmten Staaten und Gebiete zugewiesen und verantwortlich sein für die Verteidigung dieser Gebiete", sagte Stoltenberg. Natürlich hingen Details von den einzelnen Staaten ab, die diese Kräfte stellen sollen.

Norwegen sagte indes der ukrainischen Armee die Lieferung von drei Mehrfachraketenwerfern zu. "Wir müssen die Ukraine weiterhin unterstützen, damit sie ihren Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit fortsetzen kann", erklärte der norwegische Verteidigungsminister Björn Arild Gram am Mittwoch. Die Lieferung der Geschütze erfolge in Kooperation mit Großbritannien. Norwegen werde der Ukraine außerdem 5000 weitere Granaten zur Verfügung stellen, fügte Gram hinzu. Zuvor hatten bereits die USA der Ukraine vier Mehrfachraketenwerfer geliefert. Deutschland und Großbritannien sagten Kiew jeweils drei Mehrfachraketenwerfer zu.

(APA/dpa/Reuters)

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