Bundeskanzler

Nehammer: 'N' in Nato steht definitiv nicht für immerwährende Neutralität

Kanzler Nehammer hält Nato-Beitritt weiterhin für ausgeschlossen.
Kanzler Nehammer hält Nato-Beitritt weiterhin für ausgeschlossen.APA/AFP/JOHN THYS
  • Drucken

Zwar gebe es Kanzler Nehammer nach eine neue Qualität der Kooperation neutraler oder bündnisfreier Staaten wie Österreich mit der westlichen Verteidigungsallianz, doch stelle eine Nato-Mitgliedschaft keine "Variante des Denkens" dar.

Für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist ein Nato-Beitritt Österreichs weiter kein Thema. Zwar gebe es eine neue Qualität der Kooperation neutraler oder bündnisfreier Staaten wie Österreich mit der westlichen Verteidigungsallianz, doch stelle eine Mitgliedschaft keine "Variante des Denkens" dar. Das formulierte Nehammer am Mittwoch am Rande des Nato-Gipfels in Madrid. Österreich sei und bleibe neutral, aber auch ein verlässlicher Partner in Fragen der Sicherheitspolitik.

Der Bundeskanzler erinnerte daran, dass Österreich bereits jetzt mit rund 400 Soldaten bei EU-Friedensmissionen sowie mit 300 bei derartigen Nato-Einsätzen und 200 bei Uno-Missionen aktiv sei. Österreich könne sich auch als neutrales Land solidarisch zeigen und beispielsweise als Vermittler auftreten.

"Neue Qualität" der Beziehungen

Dass es am Mittwochabend zu einem von Spaniens Premierminister Pedro Sánchez (Sozialisten/PSOE) initiierten "Euroatlantischen Abendessen" kam, zu dem neben Vertretern der NATO-Länder auch bündnisfreie EU-Staaten geladen seien, interpretierte Nehammer als eine "neue Qualität" der Beziehungen und möglicherweise sogar "Zeitenwende" der Kooperation. Dies sei wohl auch auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen. Bereits vor dem Gipfel hatte Nehammer die Bedeutung einer guten Kooperation hervorgehoben. "Die Zusammenarbeit der Nato und der EU ist ein wichtiger Bestandteil der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik."

Nachdem die Nato nun angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Aufnahmeverfahren für Schweden und Finnland gestartet habe, komme seinem während des kurzen Madrid-Aufenhalts geplanten Treffen mit Irlands Premier Micheál Martin eine besondere Bedeutung zu, meinte Nehammer. Schließlich seien nunmehr in der EU nur noch Österreich, Zypern, Malta und eben die Republik Irland keine Nato-Mitglieder.

FPÖ: „Nehammer beschädigt neutrales Land“

Als "falsches und fatales Signal" kritisierte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz die Gipfelteilnahme Nehammers. "Einmal mehr beschädigt Nehammer damit mutwillig unseren Status als neutrales Land. Das 'N' in Nato steht definitiv nicht für immerwährende Neutralität." Der Kanzler hätte angesichts von explodierender Teuerung, steigenden Asylzahlen und Energieversorgungsproblemen "genug in Österreich zu tun. Stattdessen führt er lieber Small-Talk in Spanien."

Weiters standen für den Bundeskanzler am Mittwoch noch Treffen mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf dem Programm. Mit Klitschko wollte sich Nehammer abstimmen, welche Hilfen die ukrainische Hauptstadt aus Österreich aktuell brauchen könnte. Angesprochen dürfte vor allem die Lieferung weiterer Lösch- und Rettungsfahrzeugen werden.

Das Meeting mit Erdogan sah Nehammer als "Beginn eines entspannteren Verhältnisses" mit dem autokratischen Präsidenten der Türkei. Das könnte auch dazu führen, dass Ankara künftig nicht mehr die militärische Zusammenarbeit mit Österreich in der Partnerschaft für den Frieden (PfP) blockiere. Zudem sollte auch der Istanbuler Friedensprozess gefördert werden. Dieser sei aktuell die einzige Plattform, wo die Kriegsparteien Russland und die Ukraine tatsächlich miteinander reden würden.

„Grüne Korridore“ für Getreide aus der Ukraine

Konkret gehe es vor allem darum, dass mit Hilfe der Türkei "grüne Korridore" zum Export von Mais, Weizen oder Getreide aus der Ukraine geschaffen werden könnte. Es handle sich immerhin um Mengen in der Größenordnung von 90 Millionen Tonnen, die etwa in Afrika dringend benötigt würden, erinnerte Nehammer. So sei die Ukraine bereit, den Hafen von Odessa von Minen zu räumen, um Exporte zu ermöglichen. Aber nur, wenn Russland garantiere, dies nicht für eine Eroberung der Hafenstadt am Schwarzen Meer zu nutzen. Die von beiden Seiten als Partnerin akzeptierte Türkei könnte diese Sicherheitsgarantieren überwachen und auch umsetzen.

Die Türkei ist wie Russland und die Ukraine ein Anrainer des Schwarzen Meeres. Das NATO-Mitglied hat gute Beziehungen zu beiden Staaten und verfolgt bei seiner Vermittlungstätigkeit das Ziel, eine Balance zwischen den russischen und ukrainischen Interessen zu finden. Die Türkei hat den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in der UNO-Vollversammlung zwar verurteilt, sich den westlichen Sanktionen aber nicht angeschlossen.

Er habe in den vergangenen Wochen wie etwa auch die Regierungschefs von Frankreich oder Deutschland Gespräche mit allen Seiten geführt, erklärte Nehammer. Es handle sich dabei um "Puzzlesteine zum Aufbau einer Dialogbrücke", formulierte der Bundeskanzler. Er sei aber nicht so naiv oder selbstüberschätzend zu glauben, dass ein einziger Meinungsaustausch eine solche Krise lösen könne. "Aber alles ist besser, als gar nichts zu tun", so Nehammer, dessen Rückflug nach Wien noch für die Nacht auf Donnerstag geplant war.

(apa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.