Russland und Litauen

Kompromiss im Konflikt um Kaliningrad in Sicht?

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Litauen hat unter Verweis auf EU-Sanktionen den Transitverkehr von bestimmten Gütern in die russische Exklave verboten. Derzeit wird über ein Aussetzen dieses Verbotes verhandelt. Beobachter warnen vor eine militärischen Eskalation.

Der Streit zwischen Russland und Litauen über das Transitverbot bestimmter Waren in die russische Exklave Kaliningrad könnte Insidern zufolge in wenigen Tagen beendet werden. Derzeit verhandelten Vertreter der Europäischen Union mit Unterstützung Deutschlands mit Litauen über das Aussetzen des Transitverbotes, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen. Gleichzeitig übte allerdings Litauens Präsident Gitanas Nauseda erneut Kritik an Russland.

Trotz Vorbehalte der litauischen Regierung zeigten die Insider sich zuversichtlich, dass ein Kompromiss bis spätestens 10. Juli getroffen wird. Die ehemalige Sowjetrepublik ist einer der schärfsten Kritiker Russlands in der EU. "Sanktionen müssen durchgesetzt werden. Keine Entscheidung sollte die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der EU-Sanktionspolitik untergraben", sagte eine Sprecherin des litauischen Außenministeriums.

Warnung vor militärischer Eskalation

Einem der Insider zufolge wird allerdings von den Befürwortern eines Kompromisses eine militärische Eskalation auf EU-Boden befürchtet. Die Regierung in Moskau könnte Gewalt anwenden, um einen Landkorridor zu schaffen. Kaliningrad sei "heilig" für Russland.

Auch deutsche Soldaten sind in dem Nato-Partnerland Litauen stationiert. Eine Verringerung der Gasimporte aus Russland könnte Deutschland zudem empfindlich treffen. "Wir müssen die Realität akzeptieren", sagte einer der Insider. Der russische Präsident Wladimir Putin verfüge "über viel mehr Druckmittel als wir. Es ist in unserem Interesse, einen Kompromiss zu finden."

Es seien zwei Hauptszenarien möglich: Entweder wird der Frachtverkehr zwischen Russland und Kaliningrad von den EU-Sanktionen ausgenommen oder humanitäre Gründe könnten eine Ausnahme für das Gebiet schaffen, das zwischen Litauen, Polen und der Ostsee liegt.

Litauen vertraut auf Nato-Beitsandsverpflichtung

Nauseda warf dagegen Moskau eine Desinformationskampagne vor. "Russland versucht diese Gelegenheit zu nutzen, um eine Propagandablase zu erzeugen, und versucht natürlich, uns Angst zu machen, uns zu bedrohen", sagte Nauseda der Deutschen Presse-Agentur in Vilnius. Davon lasse man sich aber nicht einschüchtern. "Wir haben keine Angst um unsere Sicherheit." Litauen vertraue auf die Beistandsverpflichtung der Nato-Staaten und die Stärke der Militärallianz als kollektives Verteidigungsbündnis.

Litauen hatte Mitte Juni den Bahntransit einiger Waren über sein Territorium in das Gebiet um Kaliningrad verboten, die auf westlichen Sanktionslisten stehen. Russland kritisierte die Beschränkungen als "illegal" und drohte Gegenmaßnahmen an. "Die wahre Geschichte ist, dass dies eine Angelegenheit zwischen der Europäischen Kommission und Russland ist", sagte Nauseda. Litauen erfülle nur die Anforderungen der EU-Sanktionspolitik und die von der Europäischen Kommission festgelegten Regeln.

EU überprüft Import- und Exportbschränkungen

Nach der scharfen Kritik Russlands hatte die EU eine Überprüfung der Import- und Exportbeschränkungen angekündigt. "Wir befinden uns in enger Abstimmung mit der Europäischen Kommission, die voraussichtlich in einigen Tagen die Leitlinien zur Behandlung dieser Transitgüter bekannt geben wird", sagte aber auch Nauseda. Über das mögliche Ergebnis wolle er nicht spekulieren. "Wir möchten betonen, und das ist unsere Position, dass es keinen grünen Korridor für spezielle Waren geben sollte", sagte der Staatschef.

Litauen verbietet seit dem 17. Juni unter Verweis auf EU-Sanktionen wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine den Transitverkehr von Gütern wie Baumaterialien, Metalle und Kohle in die Exklave. Von dem Verbot betroffen ist auch die einzige Zugstrecke zwischen Russland und Kaliningrad. Eine direkte Landverbindung zwischen dem früheren ostpreußischen Königsberg und Russland gibt es nicht. Die Luft- und Seewege sind von den Sanktionen nicht betroffen.

(APA/Reuters)

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