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EU-Kommissar Gentiloni: Inflation beruhigt sich zum Jahreswechsel

Paolo Gentiloni zu Besuch in Wien.
Paolo Gentiloni zu Besuch in Wien.APA/ROLAND SCHLAGER
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Europa stehe nicht vor einer "katastrophalen Rezession“, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise würden die ansonsten positiven Entwicklung überschatten, meint der für Wirtschaft zuständige EU-Kommissar.

Die europaweit hochfliegende Inflation und die Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs sind heute bei den Treffen von EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni mit dem österreichischen Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und anschließend mit Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) im Fokus gestanden. "Die Inflation wird natürlich zurückgehen, aber nicht so bald", sagte Gentiloni im Anschluss an die Gespräche vor Journalisten in Wien.

"Wir nähern uns der Spitze des Preisauftriebs, vermutlich wird er sich am Ende dieses Jahres oder zu Beginn des nächsten Jahres verlangsamen", erwartet der EU-Kommissar. "Wir stehen vor Risiken und werden in schwierigem Fahrwasser navigieren", umriss der Politiker die Lage. Doch es gebe auch Lichtblicke. "Wir sollten nicht in die Denke verfallen, dass wir eine 'katastrophale Rezession' vor uns hätten", betonte Gentiloni.

Positive Kennzahlen: Arbeitslosigkeit, Ersparnisse

Die Ersparnisse bewegten sich "auf einem recht hohen Niveau", der Tourismus laufe quer durch Europa gut und die Arbeitslosenquote sei heuer im Mai auf ein Rekordtief von 6,6 Prozent in der Eurozone und 6,1 Prozent in der EU gesunken. Das war der niedrigste Wert seit Einführung des Euro. Weiters seien die öffentlichen Investitionen nicht rückläufig. "Das ist aus ökonomischer Sicht sehr wichtig", betonte der EU-Kommissar. In der Finanzkrise 2008/2009 seien sie sukzessive nach unten gegangen.

Vor einer großen Herausforderung steht die EU in Sachen Energieunabhängigkeit von Russland. "Die russische Invasion (in der Ukraine, Anm.) am 24. Februar hat den Verlauf der europäischen Geschichte verändert", hielt Gentiloni fest. Das habe sich natürlich auch auf die wirtschaftliche Entwicklung ausgewirkt. "Wir sind mit einer Verlangsamung des Wachstums konfrontiert." Die Prognose für den BIP-Anstieg 2022 sei nun komplett anders. Im Frühjahr war noch ein Plus von 2,7 Prozent erwartet worden, nun seien es "null Komma etwas". Die Sommerprognose der Kommission wird in zwei Wochen vorgelegt.

"Natürlich wird das alles von Unsicherheiten überschattet - dem Krieg und der Energieversorgung", räumte der EU-Kommissar ein. Als nächstes müssen wir das Energieproblem in Angriff nehmen." Auch die großen Investitionsprogramme müssten durchgezogen und die Staatshaushalte der EU-Mitgliedstaaten im Auge behalten werden. Ausgabenvolumina wie in den Coronajahren 2020 und 2021 seien nun nicht mehr möglich. Staatliche Hilfen müssten "zeitlich begrenzt" und "zielgerichtet" fließen. Auch die Klimaziele müssten bei all den Herausforderungen im Fokus bleiben.

Hohe Energiepreise Hauptgrund für hohe Inflation

Ein Gutteil der Inflation von zuletzt 8,1 Prozent sei den hohen Energiepreisen geschuldet. "39,2 Prozent macht die Energiekomponente aus - 2021 hatten wir noch eine negative Energieinflation." Die Lebensmittelpreise hätten einen Anteil von 7,5 Prozent an der Teuerung.

Als "Antwort" auf den Krieg in der Ukraine kappt die EU die russischen Ölimporte auf ein Drittel, bis 2027 will die EU-Kommission von russischem Erdgas unabhängig sein. "Das ist eine Herausforderung", weiß Gentiloni. "Wir arbeiten sehr intensiv an diesem Ziel." Auf dem Weg zur Energieunabhängigkeit sei es nun an der Zeit, Einigkeit zu zeigen. "Natürlich ist es unser Ziel, diese zurückzufahren, ohne das Wirtschaftswachstum abzuwürgen." Im Zentrum der Überlegungen stehe ein gemeinsamer Gaseinkauf als "einer der Hauptbestandteile" bei der weiteren Vorgangsweise, bestätigte der EU-Kommissar auf Anfrage. "Politisch wäre eine gemeinsame Gasbeschaffung der nächste notwendige Schritt."

„Normalisierung der Geldpolitik"

Parallel dazu werde die "Normalisierung der Geldpolitik" der Europäischen Zentralbank (EZB) weiterverfolgt. "Das ist in den nächsten Wochen und Monaten wichtig."

Zentrale Inhalte des Gesprächs mit Finanzminister Brunner seien die aktuelle Situation mit einer hohen Inflation und eines gedämpften Wachstums im gesamten Raum der Europäischen Union und die mittel und langfristige Entwicklung, vor allem in Hinblick Wachstums und Stabilitätspakt gewesen, hieß es aus dem Ministerium. "Bekanntlich sollen die EU-Schuldenregeln durch die 'general escape clause' auch im nächsten Jahr ausgesetzt bleiben", teilte Brunner in einer Aussendung mit. Österreich habe zwar Verständnis für den Wunsch mancher Länder nach einer weiteren Aussetzung gezeigt, aber festgehalten, "dass das kein Dauerzustand bleiben kann".

(APA)

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