Bürgerkrieg

Kein Ende in Sicht: Die drittgrößte Stadt des Jemen ist seit 2015 belagert

Ein Blick über die historische al-Ashrafia-Moschee in Taiz, Jemen.
Ein Blick über die historische al-Ashrafia-Moschee in Taiz, Jemen.REUTERS
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Landminen um die Stadt, Hauptverkehrsrouten geschlossen. Vier Millionen Menschen leben seit sieben Jahren im Ausnahmezustand. Daran ändert auch der verlängerte Waffenstillstand nichts.

Die drittgrößte Stadt im Jemen, Taiz, befindet sich seit sieben Jahren im Ausnahmezustand. Auch nach dem Anfang Juni für weitere zwei Monate verlängerten Waffenstillstand zwischen der mit Saudiarabien verbündeten jemenitischen Regierung und den vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen herrscht in der Stadt offenbar wenig Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Belagerungszustandes.

In einem vom jemenitischen Außenministerium organisierten Webinar kamen am Mittwoch mehrere in der Stadt befindliche Journalisten und Aktivisten zu Wort. Der Journalist Mohammed Al-Rumim zitierte eine Statistik des Taiz Human Right Centers, wonach in der Region zwischen 2015 und 2020 3590 Zivilisten durch Kriegshandlungen - Artilleriefeuer, Heckenschützen - getötet und 13.736 verletzt worden seien. Sukzessive wurden um die Stadt Landminen gelegt, die nach einer anderen Statistik 365 Menschen das Leben gekostet haben und weitere 345 verstümmelt zurückließen.

Hilfsorganisationen halten Versorgungsminimum aufrecht

Sein Kollege Ahmad Basha erinnerte daran, dass die Houthis bereits im Juli 2015 sämtliche Hauptverkehrsverbindungen in die Stadt abriegelten und im Jahr darauf auch die Wasserversorgung der Stadt unterbrachen. Die Versorgung der Stadt sei nur mit Unterstützung von Hilfsorganisationen und nur über langwierige und gefährliche alternative Routen durch die Berge möglich.

Die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Eshraq Almaqtari betonte, dass sich der Großteil der von der Belagerung betroffenen Gebiete außerhalb der eigentlichen Stadt Taiz befindet. Durch den Krieg sei den Menschen und insbesondere den Frauen dort die Möglichkeit genommen, von der Landwirtschaft zu leben. Auch beklagte sie die große Anzahl von illegalen Anhaltezentren, die zum Teil in Schulen eingerichtet seien.

Dem Leiter des Zentrums für künstliche Gliedmaßen und Rehabilitation in Taiz, Mansoor Alwaziy, zufolge ist das Gesundheitssystem der Region durch wiederholte militärische Angriffen schwer beeinträchtigt. Dies habe sich während der Covid-19-Pandemie besonders stark bemerkbar gemacht: Viele seien gestorben, weil die Spitäler keine Beatmungsgeräte gehabt hätten.

Der Wirtschaftsexperten Mohammed Alhoribe bezifferten den durch den Krieg verursachten ökonomischen Schaden in Taiz, einst eine der Städte mit dem höchsten Einkommen im Jemen, mit 2,6 Milliarden US-Dollar (2,47 Mrd. Euro). Das betreffe nicht nur die Infrastruktur, sondern das gesamte tägliche Leben. Die Preise in der Region seien seit Beginn der Belagerung um über 700 Prozent gestiegen. Von 64 Produktionsbetrieben in der Region gebe es heute nur noch 17, von den ehemals 400 Handelsbetrieben sei kein einziger übrig.

Rebellen kontrollieren Industrie in der Region

Der Menschrechtsaktivist Riyadh Aldubai schließlich gab zu bedenken, dass die Houthi handfeste ökonomische Interessen hätten, die Belagerung aufrechtzuerhalten, da sie die verbliebene Industrie in der Region kontrollierten und von den Betrieben auch Abgaben einheben.

Insgesamt ergab sich in der Diskussion trotz wiederholter Statistiken und Aufzählungen zahlreicher unzumutbarer Lebensbedingungen für die Bevölkerung ein fragmentiertes Bild der tatsächlichen Lage in der belagerten Region. Mehrere Journalisten kritisierten in der Diskussion mangelndes Entgegenkommen der Regierungsbehörden in Bezug auf die Einreise in den Jemen. Der Vorwurf wurde von einem Vertreter des Ministeriums zurückgewiesen.

Die vom UNO-Sondergesandten für den Jemen, Hans Grundberg, erhobene Forderung an die Houthi, wenigstens eine Hauptverkehrsroute nach Taiz wieder zu öffnen, scheiterte bisher am Widerstand der Rebellen, die die betreffende Straße als Teil der Frontlinie betrachten.

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