Opole in Oberschlesien, die am dichtesten besiedelte Provinz Polens.
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Lydia Mischkulnig: Fühlt man sich hier schlesisch?

Wir leben am Rande eines ausbrechenden Nuklearkrieges, sagt mein Gastgeber in Opole. Putin setzt mit Artilleriebeschuss ein Land in Schutt und Asche und wird sich nicht durch Appeasement stoppen lassen. Der Ukraine-Krieg liegt hier viel näher als von Österreich aus betrachtet.

Opole mit seinen 200.000 Seelen hat man schnell kennengelernt. Der Spaziergang durch die Hauptstadt der Woiwodschaft führt zur Universität, am Theater und an dem Gebäude der Philharmonie vorbei. Die Erinnerung an die schlesischen Aufstände gegen die Einverleibung ins deutsche Reich beherrscht den Platz vor der Altstadt. Ein Kanälchen mit üppigen Weiden am Ufer fließt beschaulich dahin und grenzt an das teuerste Wohngebiet der Stadt.

Oberschlesien ist die am dichtesten besiedelte Provinz Polens, gehörte etlichen europäischen Reichen an, darunter den Habsburgern und Preußen. Seine Unabhängigkeit errang Polen im Ersten Weltkrieg und bekam ein Drittel des oberschlesischen Territoriums zugeschlagen. Hitlers Angriff bedeutete Annexion, und 1945 wurde die Provinz mit vergrößertem Territorialanteil von den Siegermächten Polen zugeschlagen. Da ich aus einer österreichischen Grenzgegend stamme, interessierte mich die schlesische Befindlichkeit. Fühlt man sich eher deutsch, polnisch oder als Schlesier eben schlesisch? Was heißt es für einen Schlesier, Pole zu sein, dessen Ahnen einst für Deutschland stimmten? Meine Frage also lautete nicht nur: Gibt es eine schlesische Identität, gar eine oberschlesische? Jedem Deutschtum gegenüber skeptisch, war ich natürlich gefasst auf identitären Dünkel und blätterte durch Reiseberichte und historische Aufrisse.

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