Ein Überflieger, der nicht landen will

Streamingtipps. Er ist der personifizierte amerikanische Traum, und dieses Image kultiviert er mit jedem neuen Film, den er dreht: Am Sonntag wird Tom Cruise 60 Jahre alt. Eine kleine Karriereschau des unerschöpflichen Hollywoodstars.

Top Gun

Bei einem öffentlichen Interviewgespräch in Cannes (verfügbar auf YouTube) erzählte Tom Cruise unlängst von den Anfängen seiner Karriere. Am Set des Dramas „Taps“ (1981), in seiner ersten größeren Filmrolle mit blutjungen 18 Jahren, habe er zwischen den Aufnahmen jedes Department besucht und genau studiert – um zumindest dieses Wissen zu besitzen, sollte es sein letzter Job in Hollywood bleiben. Er sei eben die Sorte Bub gewesen, so Cruise, der schon früh Ziele für sich formulierte und an die Wand schrieb. Ein Goalgetter, ein Überflieger, der amerikanische Traum in Person: Bei aller Bescheidenheit, die Cruise nachdrücklich an den Tag legt, ist dies doch das Image, das ihm am Herzen liegt. Und das er mit jedem neuen Film kultiviert.

Kein Wunder, dass er mit einem Hit weltberühmt wurde, der dieses Bild mit seiner ganzen stratosphärischen Ästhetik unterstützt: Als furchtloser Kampfpilot Maverick, der sich in Tony Scotts Düsenjet-Apotheose „Top Gun“ aus Lust am ultimativen Adrenalinkick immer wieder in die „Danger Zone“ über den Wolken katapultiert. Schon damals hätte man an seinem strahlenden Lächeln ablesen können, dass Cruise diese Zone auch als Starschauspieler nie wieder verlassen würde. (and) Sky

Collateral

Cruise so cool und böse wie nie: Der verträumte Taxifahrer Max (Jamie Foxx) hängt noch einem Flirt mit einem Fahrgast nach, als Silberfuchs Vincent (Cruise) einsteigt. Der skrupellose Auftragsmörder zwingt Max, ihn zu seinen Opfern zu chauffieren. Vincent ist ein erratischer Mann ohne Eigenschaften. Was zählt, ist der Auftrag. Trotzdem gibt es eine Bindung zwischen dem effizienten Killer und dem unentschlossenen Taxilenker. Ein packendes Kammerspiel, bei dem auch die von apokalyptisch anmutenden Kojoten heimgesuchte Stadt der Engel eine Hauptrolle spielt. (pah)Amazon, Sky

Krieg der Welten Von Steven Spielberg, 2005

In dem Untergangsspektakel ließ Regiewunderkind Spielberg Superstar Cruise (ihre zweite Zusammenarbeit nach „Minority Report“) einen raubeinigen Hafenarbeiter auf der Flucht vor Nazi-Aliens verkörpern. Ray muss seine zwei Kinder (eine altkluge Elfjährige und einen abgefuckten Teenager) während eines außerirdischen Holocaust retten. Er ist überfordert, klatscht Toasts an Fensterscheiben, verliert den Sohn, hegt Groll gegen einen Rachedurstigen, wirkt traumatisiert – und triumphiert am Ende trotzdem. Nie wirkte Cruise als Actionheld authentischer und fragiler als hier. (mt)Netflix, Sky

Magnolia Von Paul Thomas Anderson, 1999

Die letzte Rolle, die Cruise eine Oscar-Nominierung eingebracht hat, ist die des Machogurus in „Magnolia“, der für gefrustete Männer misogyne Motivationsseminare abhält. Am Sterbebett seines Vaters bricht er dann aber zusammen wie ein geläuterter Ödipus (seine Mutter starb an Krebs – der Patriarch war abwesend). Eine virile Performance mit bröckelnder Fassade. Eindrucksvoll! (mt)Sky

Eyes Wide Shut Von Stanley Kubrick, 1999

In seinem letzten Film soll Kubrick das (damals auch wirkliche) Ehepaar Cruise und Nicole Kidman ihre Szenen so oft wiederholen haben lassen, dass die Grenze zwischen Spiel und erschöpfter Wirklichkeit verschwamm. Passend zum traumverlorenen Gestus, mit dem Cruise hier durch das nächtliche New York und eine Geheimorgie treibt. (kanu)Amazon, Sky

The Color of Money

Paul Newman jagt hier an Billardtischen, begleitet von Achtzigerjahre-Pop, mit seinem ganzen Können nach dem großen Geld. Das gilt aber auch für den noch 23-jährigen Cruise: Mit Machoföhntolle, Ohrstecker und Lederjacke gibt er den unbeherrschten Jungspund, der sich gegen den Altmeister auflehnt. Die Kamera umkreist die beiden unentwegt. Nie wurden Männer, die mit Stöcken spielen, so sinnlich gefilmt. (pah) Disney+

Cocktail Von Roger Donaldson, 1988

„I'm in training“, lallt Brian (Tom Cruise), während er durchs nächtliche New York wackelt, „for stardom.“ Nach einer plausiblen Handlung oder psychologischer Tiefe braucht man nicht suchen in diesem flotten Aufsteigermärchen über einen jungen Barkeeper, der unbedingt reich werden will – ob durch Geschäftssinn oder gezielte Partnerinnenwahl. Dafür bekommt man das gewinnende Grinsen eines jungen Cruise zu sehen, der hier zu Rock'n'Roll-Beats tanzend mit Flaschen und Cocktailshaker jongliert – wie ein Star eben. (kanu)Disney+

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.