Karl von Habsburg-Lothringen

Verehrt, verspottet, aber selig

Über Kaiser Karl wurde schon viel geschrieben. Aber es gibt immer wieder Neues zu entdecken.

Ganze Bibliotheken füllen die Lebensbeschreibungen über den letzten Kaiser Österreich-Ungarns, Karl von Habsburg-Lothringen. Jedes Detail aus dem kurzen Leben dieses in den Ersten Weltkrieg Hineingeworfenen erscheint uns geläufig. Und dennoch: Mit völlig neuen Bildern aus zahlreichen Habsburg-Sammlungen in einem 300 Seiten starken Bildband ist es Hannes Etzlstorfer und dem Berndorfer Kral-Verlag gelungen, den Vogel abzuschießen.

Zwischen katholisch-frommer Verehrung und vernichtender Kritik schwankt noch immer sein Image. Darauf lässt sich der Autor dankenswerterweise gar nicht ein, sondern er lässt Bilder und Zeitzeugen sprechen. Die berichten zum Beispiel – Tratsch im Dorf ist immer interessant – vom Aufenthalt des noch unverheirateten Erzherzogs Ende Dezember 1908 auf dem Semmering. Im Liechtenstein'schen Jagdhaus habe man Orgien mit einer Operettendiva gefeiert – so wird dem Adjutanten Graf Polzer-Hoditz später in Wien geflüstert (der selbst dabei war und dementiert).

Wie auch immer, der alte Kaiser Franz Joseph ist nicht amüsiert. Der Zweite in der Thronfolge – nach Onkel Franz Ferdinand – möge sich verheiraten, sagt das Familienoberhaupt. Und zwar in einer eher barschen Art und Weise: „Ich wiederhole, das ist ein Befehl. Du musst eben suchen, wenn du noch keine kennst, die du magst. Am einfachsten ist es, du nimmst dir den Gotha und suchst dir heraus, wer infrage kommt, und dann gehst auf Brautschau.“

Karl sucht, wie befohlen – und findet, wie wir wissen, die Prinzessin Zita von Bourbon-Parma, die es später schwer haben wird, weil sie zufällig in Pianore und nicht in Schwarzau an der Rax geboren worden ist, wo sie dann aufgewachsen ist.

Karl jedenfalls ist schwer verliebt, doch die erwählte Braut sehr schüchtern. Dieses Detail mag uns erstaunen, denn wir kannten Zita ja ganz anders. Im steirischen Joglland nach einem Abstieg von der Pretul verloben sie sich inoffiziell, danach haben sie nur vier Monate Zeit, die Hochzeit im Schloss Schwarzau am 21.Oktober 1911 vorzubereiten. Man kennt die Fotos und Filmschnipsel von der Hochzeit, bei der Franz Joseph noch ein letztes Mal völlig entspannt und fröhlich auf der Terrasse Hof hält, dahinter Franz Ferdinand gänzlich unüblich leutselig und charmant. Noch einmal geben sich die Akteure des österreichischen Hochadels ein Stelldichein, „bevor sie in wenigen Jahren zu tragischen Figuren der Weltgeschichte erstarren werden“.

In gehörigem Tempo spult sich der Lebensbogen des letztlich ohnmächtigen Monarchen ab, der 1916 antreten muss, da alles längst verloren ist. Mit unzulänglichen Mitteln versucht er, der unsäglichen Schlachterei auf den Kriegsschauplätzen ein Ende zu setzen, es gelingt ihm nicht, aus dem preußischen Diktat auszubrechen, er hat versagt, er weiß es. Am 11.November1918 „um 7 Uhr abends verließen der Kaiser und die Kaiserin mit ihren Kindern Schönbrunn und begaben sich zum vorläufigen Séjour nach Eckartsau. Der Monarch war in Zivil ...“, berichtet das „Wiener Salonblatt“. Das Ende ist recht gewöhnlich: Als sich 1922 im Exil auf Madeira die finanzielle Lage der großen Familie zuspitzt, verkauft der landesvertriebene Exkaiser neben Familienschmuck auch acht kostbare Goldketten, die Collanen des 1430 gegründeten Ordens vom Goldenen Vließ...

Hannes Etzlstorfer
„Karl – der letzte Kaiser“
Kral-Verlag, 300 Seiten, 34,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2022)

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