Wort der Woche

Welche Konsequenzen eine gesündere Ernährung hätte

Wie komplex das Ernährungssystem ist, wurde nun – einmal mehr – bei einer Studie über die Folgen einer gesünderen Ernährung deutlich.

Die globale Lebensmittelversorgung steht vor großen Herausforderungen – nicht erst seit Coronakrise und Ukraine-Krieg mit all ihren Folgen. Längerfristig muss eine dreifache Problemstellung gemeistert werden. Erstens muss eine ausreichende und ausgewogene Ernährung der Menschheit sichergestellt sein: Laut OECD und Welternährungsorganisation FAO muss die Nahrungsmittelproduktion im nächsten Jahrzehnt um jährlich 1,4 Prozent gesteigert werden, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Gleichzeitig gilt es aber auch, die herrschenden Formen von Fehlernährung zu korrigieren – aktuell sind 650 Mio. Menschen fettleibig und 770 Mio. Menschen unterernährt.

Zweitens müssen die Umweltauswirkungen verringert werden: Der Nahrungsmittelsektor verursacht – je nach genauer Abgrenzung – zwischen 22 und 31 Prozent der Treibhausgasemissionen und ist mitverantwortlich für Umweltschäden wie etwa Schwund der Artenvielfalt oder Abholzung von Regenwäldern. Und drittens darf man auch das Wohlergehen jener rund zwei Mrd. Menschen nicht aus den Augen verlieren, die ihr Einkommen aus der Nahrungsmittelproduktion beziehen.

Diese drei Bereiche sind innig miteinander verknüpft, jede Veränderung hat Folgen in ganz anderen Bereichen. Wie unglaublich komplex das Ernährungssystem ist, wird einmal mehr deutlich in einer Studie, die OECD und FAO diese Woche in ihrem neuen „Agricultural Outlook“ veröffentlicht haben. Untersucht wurde, welche Konsequenzen eine gesündere Ernährung hätte – konkret: wenn die Menschheit die WHO-Empfehlungen hinsichtlich des Konsums von Zucker (maximal zehn Prozent der Kalorienaufnahme) und von Fett (30 Prozent) beherzigen würde. Zum einen würde dies die Zahl der fettleibigen Menschen um 46 Prozent verringern.

Gleichzeitig würden wegen der geringeren Nachfrage die Preise von Zucker, pflanzlichen Ölen, Fleisch- und Milchwaren um 28 bis 73 Prozent sinken, was auch die Zahl der unterernährten Menschen um drei Prozent vermindern würde. Zum anderen hätte auch die Umwelt etwas davon: Die Treibhausgasemissionen würden um zehn Prozent und der Flächenbedarf der Landwirtschaft um knapp ein Prozent reduziert werden.

Eine zucker- und fettreduzierte Ernährung hätte allerdings auch eine äußerst unliebsame Konsequenz: Die Einnahmen der Landwirte würden um 30 Prozent sinken. Und dies hätte für ein Viertel der Menschheit, v. a. in ärmeren Ländern und ländlichen Regionen, unabsehbare soziale Folgen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2022)

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