Morgenglosse

Kalter Kaffee macht schön?

Die Wiener Kaffeehauskultur verschwindet mit immer mehr geschlossenen Traditionshäusern.
Die Wiener Kaffeehauskultur verschwindet mit immer mehr geschlossenen Traditionshäusern.APA/AFP/FRANCOIS NASCIMBENI
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Das Wiener Herz, dieses melancholische Schlaginstrument, lauert nur auf den Einsatz, wenn es merkt, dass ein Ende naht.

Das Einkaufswagerl schiebt, die Prozente-Pickerl pickt die flinke Wiener Hand auch unter Stuckdecken der edelsten Sorte mittlerweile völlig ungerührt: Im rund 120 Jahre alten ehemaligen Kassensaal der Creditanstalt-Bankverein am Schottentor. Im ehemaligen Cafe Griensteidl am Michaelerplatz, um 1900 als Künstlertreff als „Café Größenwahn“ bekannt. Und demnächst vielleicht schon im Café Westend in Mariahilf, das Freitag seine Pforten schloss.

Kalter Kaffee macht hier nicht unbedingt schöner. Wohl aber nachhaltig lukrativer. Das späte Jammern darüber ist nur heuchlerisch. Denn das Wiener Herz, dieses melancholische Schlaginstrument, lauert nur auf den Einsatz, wenn es merkt, dass ein Ende naht. Dann pocht es wild auf Kaiser, pardon Staat, der das Westend und gesamte römische Weltkulturerbe der Wiener Kaffeehauskultur zu retten habe. Damit es in dieser Stadt weiterhin mäßigen wie teuren Kaffee gebe. Wenn das Wiener Herz aber auch Beine hätte. Wenn es statt in den Supermarkt auch ins Kaffeehaus ginge. Wüsste es das. Oder schwant es ihm? Ein Erbe muss eben auch gepflegt werden, damit es angenommen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2022)

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