Pizzicato

Revoluzzer und Gentleman

Halbzeit in Wimbledon, und im Südwesten Londons flitzten die Filzkugeln übers Netz, als gäbe es keinen Tag des Herrn.

Im Namen der Profitmaximierung hatte der „All England Lawn Tennis and Croquet Club“ mit einer „heiligen“ Tradition gebrochen. Die „Ladies and Gentlemen“ strichen „Middle Sunday“, den spielfreien Sonntag.

Kein Müßiggang, kein „Chillen“, kein Rudern an der Themse. Womöglich ein Grund, warum ein Traditionalist wie Roger Federer es vorzog, daheim in der Schweiz zu bleiben. Mit bald 41 Jahren muss man nun wirklich nicht mehr alle Torheiten mitmachen.

Apropos Torheiten. John McEnroe, der Ex-Revoluzzer, hat sich längst zum Gentleman in Sakko und Krawatte gewandelt. Einst wäre „Big Mac“, der genialische Spieler und „Rüpel vom Dienst“, wegen vulkanischer Ausbrüche und Fluchorgien im Kleinkrieg mit den Schiedsrichtern beinahe vom Platz und aus dem Turnier geflogen. Die britische Presse taufte ihn „Superbrat“. Als BBC-Co-Kommentator kehrt der dreifache Wimbledon-Sieger jährlich ins Tennis-Mekka zurück. Und vermisste heuer eine andere Legende. BBC-Kollege Boris Becker fristet seit Ende April seine Tage und Nächte in einem Gefängnis außerhalb Londons. „Big Mac“ kündigte einen Besuch beim Kumpel an – vielleicht stilgerecht zur Tea-Time oder zur privaten Bier-und-Burger-Party am Fourth of July.

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2022)

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