Gastkommentar

Missbrauchsopfer fallen um Schadenersatz um

Die Entschädigung von Opfern kirchlicher und anderer Institutionen ist unzureichend und unfair geregelt. Der Gesetzgeber ist zum Handeln aufgerufen.

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Wien. Jüngst erlangte der von einem mittlerweile verstorbenen Priester missbrauchte Franz Schubert (Pseudonym) mediale Aufmerksamkeit. Völlig überraschend seien, entgegen den Erwartungen des Opfers selbst, dessen Ansprüche gegen die Erzdiözese Wien nicht verjährt: Der Oberste Gerichtshof wählte einen Kunstgriff und sah in einem Schreiben der Erzdiözese einen konkludenten Verjährungsverzicht. Andere Missbrauchsopfer können sich auf diese Einzelfallentscheidung daher leider nicht berufen.

Zwar wurden mit dem sogenannten Zweiten Gewaltschutzgesetz 2009 die Verjährungsbestimmungen im Strafgesetzbuch verlängert. Seither wird in die Verjährungsfrist, die Zeit bis zur Vollendung des 28. Lebensjahrs des Opfers einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder die sexuelle Integrität etc., nicht eingerechnet, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung minderjährig war. Davor war bei gewissen Sexualdelikten der Fortlauf der Verjährung bis zur Volljährigkeit des Opfers gehemmt gewesen (dies seit 1998).

Erstaunlich war jedoch, dass der Gesetzgeber zeitgleich keine analogen Bestimmungen für das Zivilrecht geschaffen hat. Obwohl in der Lehre sofort erkannt und kritisiert wurde, dass ein Wertungswiderspruch bestehe, wenn in einigen Fällen strafrechtliche Sanktionen noch verhängt, zivilrechtlicher Schadenersatz aber nicht mehr gefordert werden könne, dauerte es zehn Jahre, bis dieser Missstand behoben wurde.

Erst mit dem Gewaltschutzgesetz 2019 wurde die zivilrechtliche Verjährung verlängert. Demnach beginnt der Fristenlauf vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs des Geschädigten nicht zu laufen (§ 1494/2 ABGB). In den Materialien führt der Gesetzgeber dazu aus, dass dadurch die Diskrepanz zwischen Straf- und Zivilrecht behoben werden solle, damit die zivilrechtliche Verjährungsfrist jedenfalls nicht vor der Verjährung der Strafbarkeit endet.

Diese Novellierung muss im Zusammenhang mit § 1489 ABGB gelesen werden, wonach sich die subjektive Verjährungsfrist von drei auf 30 Jahre verlängert, „wenn der Schade aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen entstand, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht sind“. Eine strafrechtliche Verurteilung ist dabei nicht die Voraussetzung; wer erfolgreich klagt, muss allerdings als Vorfrage für die Fristverlängerung auf 30 Jahre die Straftat behaupten und beweisen. Missbrauchsopfer haben also nun theoretisch bis zur Vollendung ihres 48. Lebensjahrs Zeit, Ersatz zu erlangen, was normalerweise ausreichen sollte (Auflösung von Verdrängungen und Ängsten durch Therapien etc.).

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