Krankenkassenreform

Rechnungshof-Bericht befeuert Kritik an "Patientenmilliarde"

FSG-Vorsitzender Rainer Wimmer sprach in einer Aussendung vom "teuersten politischen Raubzug der Zweiten Republik".

Der am Wochenende bekannt gewordene Rechnungshof-Rohbericht zur Reform der Krankenkassen hat die Kritik an diesem Prestigeprojekt der einstigen türkis-blauen Koalition auch am Montag weiter befeuert. Anstelle der von ÖVP und FPÖ damals versprochenen Einsparungen von einer Milliarde ergab sich ein Mehraufwand von knapp 215 Millionen Euro, stellten die Prüfer fest.

Mit 1. Jänner 2020 wurden die 21 Sozialversicherungsträger auf fünf reduziert: Die neun Gebietskrankenkassen wurden zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengelegt. Bauern und Unternehmer wurden in der neuen Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) vereint, die Beamten haben die Eisenbahner und den Bergbau zu Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst, Eisenbahn und Bergbau (BVAEB) dazu bekommen. Die Pensionsversicherungsanstalt (PV) blieb ebenso bestehen wie die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA).

Mehraufwand statt "Patientenmilliarde"

Für besondere Kritik sorgte schon damals, dass vor allem in den Gremien der ÖGK die Arbeitnehmer ihre Mehrheit verloren und stattdessen eine Parität mit den Dienstnehmervertretern hergestellt wurde, womit die ÖVP de facto eine Mehrheit bekam. Der Vorsitz in der ÖGK, der PV und im neu geschaffenen Dachverband wechselt halbjährlich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Die damalige türkis-blaue Regierung versprach für die Reform nicht nur eine massive Reduktion der Kassenfunktionäre, sondern auch eine "Patientenmilliarde".

Davon kann aber laut RH-Rohbericht keine Rede sein - im Gegenteil. Die Prüfer stellten stattdessen einen Mehraufwand von 214,95 Mio. Euro fest. Und auch die geplante Personalreduktion fand demnach bisher nicht statt: Bei den Krankenkassen erhöhte sich der Personalstand von 16.087 Vollzeitstellen im Jahr 218 auf 16.189 im Jahr 2020. Bei den Führungskräften kam es immerhin zu einer geringfügigen Verschlankung.

"Teuerster politischer Raubzug der Zweiten Republik"

Nachdem am Wochenende schon ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian seine Kritik an der Reform bekräftigt hatte, legte nun am Montag der Vorsitzende der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), Rainer Wimmer, nach. In einer Aussendung sprach er vom "teuersten politischen Raubzug der Zweiten Republik". Verlierer der Reform sind seiner Ansicht nach die Versicherten: "Profitiert haben nur türkise und blaue Wirtschaftskammer-Funktionäre und deren Günstlinge, die großzügig mit Posten und Verträgen bedacht wurden, egal ob sie von der Materie eine Ahnung haben oder nicht." Die "Fremdbestimmung", dass die Arbeitgeber die Milliardenbeträge der Arbeitnehmer verwalten, "muss ein Ende haben", forderte Wimmer.

Kritik kam am Montag aber auch direkt aus der ÖGK: Der Vorarlberger ÖGK-Landesstellenvorsitzende Manfred Brunner meinte in den "Vorarlberger Nachrichten", es sei allen klar gewesen, auch jenen, die die Reform unterstützten, dass die Patientenmilliarde "eine Illusion" sei. Die Reform sollte nach Ansicht des Arbeitnehmer-Vertreters dazu dienen, den damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) "als Macher darzustellen". Und einigen Industriellen sei es darum gegangen, die Hand an das Geld der Arbeitnehmerkasse zu halten.

ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer verteidigte hingegen in der "ZiB2" am Sonntagabend die Reform. Die Fusion werde am Ende des Tages ein Erfolg sein, meinte Wurzer. Das einzige, was man den damaligen politischen Vertretern möglicherweise vorwerfen könne, sei, dass die "Patientenmilliarde" zu schnell versprochen wurde, gestand Wurzer zwar ein. Schuld daran, dass sich die Erfolge nicht so schnell eingestellt haben wie versprochen, sei aber auch die Pandemie.

(APA)

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