Ankara hält am Beitrittsprozess mit der EU fest

Die Regierung fordert eine Wiederaufnahme der eingefrorenen Beitrittsverhandlungen. Dies sei Ankara bei Abschluss des Flüchtlingsdeals vonseiten der EU versprochen worden – doch Brüssel habe nicht Wort gehalten.

Wien ist dezidierter Gegner eines türkischen Beitritts zur Europäischen Union: Daran hat sich seit 2016 nichts geändert, als im EU-Rat über eine Wiederaufnahme der Verhandlungen debattiert wurde und Außenminister Sebastian Kurz eine Einigung torpedierte. Der Ton wurde rau zwischen Wien und Ankara. Mevlüt Cavusoglu, damals wie heute türkischer Chefdiplomat, sprach eine deutliche Warnung an die heimische Regierung aus: „Auf allen Ebenen“ wolle er gegen Österreich auftreten, so der AKP-Mann. Heute ist der Ton deutlich entspannter. Seinen jetzigen Amtskollegen Alexander Schallenberg bezeichnet Cavusoglu gar als „Freund“. Dessen Besuch in Ankara gemeinsam mit Innenminister Gerhard Karner am Montag verdeutlicht die Bemühungen Wiens, den lange Zeit eingefrorenen Gesprächskanal in die türkische Hauptstadt zu verbessern. Von dringend nötigen Beziehungen auf Augenhöhe ist die Rede.
Kandidat seit 1999

An der österreichischen Position zu einem EU-Beitritt der Türkei hat sich indes nichts geändert. Das Land hat seit dem Jahr 1999 den Kandidatenstatus, die Beitrittsverhandlungen starteten 2005, liegen jedoch seit Jahren wegen der aus Brüsseler Sicht unbefriedigenden Entwicklungen – etwa im Bereich der Menschenrechte – auf Eis. Ankara hält trotz der „vielen Erschwernisse“ an einer Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen fest, wie Cavusoglu bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den angereisten Ministern aus Wien auf Nachfrage betonte. Die Chancen dafür stehen trotz der einflussreichen Mittlerrolle der Türkei im Ukraine-Krieg allerdings denkbar schlecht, müssten einen solchen Schritt doch alle 27 Mitgliedstaaten einstimmig befürworten.
Die AKP-geführte Regierung, der im Juni 2023 Wahlen bevorstehen, hat dafür wenig Verständnis. Bei Abschluss des Flüchtlingsdeals im März 2016 sei Ankara die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel versprochen worden, so Innenminister Süleyman Soylu. „Doch die EU hat nicht Wort gehalten.“

Zwar zollen die Mitgliedstaaten der türkischen Regierung in der Flüchtlingsfrage großen Respekt – die Türkei beherbergt 5,5 Millionen Schutzsuchende, darunter großteils Syrer und Afghanen –, andererseits wird vonseiten Brüssels auch stets darauf hingewiesen, dass für die Beherbergung der Flüchtlinge Zahlungen in Milliardenhöhe nach Ankara fließen. Damit das Geld nicht zweckentfremdet wird, kommt es nicht der Regierung, sondern direkt konkreten Hilfsprojekten zugute.

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