Replik

Zur Präsenz der Spanier in Wien

Hat Österreich eine historische Dankesschuld gegenüber Katalonien? Die bekannten Fakten sprechen dagegen.

Der Autor:

Univ.Prof. (iR) Dr. Dr. Michael Rössner(*1953) ist Hispanist und war bis 2021 Direktor des Instituts für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte an der ÖAW.

Am 11.6. erschien in der „Presse“ ein Artikel („Der Katalane von Biedermannsdorf“), der das Porträt einer Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts zu der etwas ungeschickten Aufforderung nützte, Österreich möge im 21. Jahrhundert aufgrund historischer Dankesschuld die Unabhängigkeitsbemühungen Kataloniens unterstützen. Einige der Informationen im Text waren ungenau, manche schlicht falsch, die Schlussfolgerung jedenfalls unlogisch.

Der Text vermittelt den Eindruck, das spanische Element in Wien, das an Schwarzspanierstraße und Spanischer Hofreitschule festgemacht wird, stamme von der Auswanderungswelle nach dem Spanischen Erbfolgekrieg. Tatsächlich sind die Klöster der „Schwarz-“ und „Weißspanier“ im 17. Jahrhundert entstanden. Die Präsenz von Spaniern in Wien ist wenigstens ab dem 16. Jahrhundert – wohl auch aufgrund starker dynastischer Verbindungen zwischen den beiden Habsburger-Linien – eine ständige Realität: Renaissancedichter Garcilaso de la Vega beklagte in seiner „III. Kanzone“ seine Verbannung auf eine Donauinsel, Cristóbal de Castillejo verteidigte von Wien aus die traditionellen spanischen Gedichtformen gegen italienische Einflüsse beim auf Spanisch dichtenden Katalanen Juan Boscán − das alles in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Spanische Einwanderung nach Wien gab es also schon lang bevor 1714 die dynastische Verbindung nach 14 Jahren Krieg endete.

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