Personalmangel

Wie das Flugchaos in Europa beherrscht werden soll

Der Sommerreiseboom führt bei aktuellem Personalmangel zum Chaos auf europäischen Flughäfen.
Der Sommerreiseboom führt bei aktuellem Personalmangel zum Chaos auf europäischen Flughäfen. (c) REUTERS (Kai Pfaffenbach)
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Zum Schutz der Ferienflieger streicht die British Airways über 10.000 Kurzstreckenflüge. Bundeskanzler Scholz fordert bessere Arbeitsbedingungen für das Flugpersonal, die Lufthansa setzt auf Zusammenhalt der Branche.

Fehlendes Personal etwa bei der Gepäckabfertigung hatte an europäischen Flughäfen zur Sommerreisezeit teils chaotische Zustände mit langen Wartezeiten ausgelöst. Der Ursprung dessen liegt in der Coronakrise. Flughäfen, Airlines und Dienstleister haben in der vergangenen zwei Jahren eine Menge Personal abgebaut und Fachkräfte an andere Jobs verloren.

Die Fluggesellschaft British Airways etwa streicht nun zusätzlich 10.300 Kurzstreckenflüge bis Ende Oktober. Damit wolle das Unternehmen seinen Kundinnen und Kunden Sicherheit geben und „so viele unserer Ferienflieger wie möglich schützen“, teilte die Fluglinie am Mittwoch mit. Die hohe Nachfrage im Sommer ist bei gleichzeitigem Personalmangel eine besondere Herausforderung für Fluggesellschaften. Nach Angaben der Nachrichtenagentur PA wurden mit den neuen Streichungen von British Airways 13 Prozent aller Flüge diesen Sommer storniert.

„Während der Großteil unserer Flüge nicht betroffen ist und die Mehrheit der Kunden wie geplant verreisen kann, unterschätzen wir die Auswirkungen nicht, die das hier haben wird“, heißt es vonseiten des Unternehmens. Betroffene Kunden könnten ihre Flüge umbuchen oder den Preis erstattet bekommen.

Andere Vorschriften, bessere Arbeitsbedingungen

Um dem Chaos im britischen Luftverkehr entgegenzuwirken, hatte die britische Regierung bereits vor der Hauptreisesaison die Vorschriften für die Start- und Landerechte an den Flughäfen gelockert. Fluglinien können damit Verbindungen streichen und auf die sogenannten Slots verzichten, ohne fürchten zu müssen, die teuren Startrechte zu verlieren. Allerdings müssen die Airlines ihre Streichungen bis Freitag mitteilen.

In Deutschland will man nun angesichts der erheblichen Probleme grundsätzlich bessere Arbeitsbedingungen für das Flugpersonal herstellen. Das hat der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch mitgeteilt. Es sei einer der Gründe für die Schwierigkeiten, dass „zu viele weggeschickt“ worden seien, sagte er im Bundestag mit Blick auf Personalabbau in der Branche während der Coronakrise.

Zudem seien Arbeitsbedingungen nicht so attraktiv, dass diejenigen Beschäftigten, die sich etwas Neues gesucht hätten, jetzt zurückkehrten. Zu den Maßnahmen der deutschen Regierung gehöre daher nicht nur die Erlaubnis für die Branche, dass Beschäftigte aus dem Ausland geholt und zu Tariflöhnen direkt eingestellt werden könnten. „Sondern es wird auch dazugehören, dass man generell bessere Arbeitsbedingungen in diesem Bereich schafft“, sagte Scholz.

Die deutsche Bundesregierung hatte als Abhilfe rasche Regelungen zugesagt, damit Betreiber vorübergehend leichter Personal vor allem aus der Türkei anheuern können - mit konkreten Vorgaben, um Sozialdumping zu unterbinden.

Gemeinsam verlieren oder zusammen gewinnen

Lufthansa-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley hat angesichts interner Konflikte bei der Airline durch die chaotischen Zustände den Zusammenhalt beschworen. „Entweder wir verlieren gemeinsam oder wir gewinnen zusammen“, erklärte Kley in einem im Intranet der AUA-Mutter Lufthansa veröffentlichten Interview, das der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlag. Die Lage sei äußerst schwierig und extrem angespannt wie noch nie.

„Und das macht auch die Entwirrung der Fäden so schwierig.“ Doch wenn es nicht gelinge, zusammen mit Flughäfen und Dienstleistern den Betrieb zu stabilisieren und die unter Ausfällen und Verspätungen leidenden Kunden zufriedenzustellen, „können wir uns Gedöns sparen.“ Den öffentlich gewordenen Brandbrief der Lufthansa-Personalvertretungen, die über drei Seiten dem Vorstand schwere Vorwürfe wegen des Sparkurses in der Corona-Krise machen, erwähnte Kley nicht.

Sparkurs und Missmanagement

Die Interessenvertretung des Personals in Cockpit, Kabine und am Boden forderte in dem Schreiben an den Aufsichtsrat, das Reuters vorlag, ein Ende des Sparkurses, der mit Blick auf ein Renditeziel von mindestens acht Prozent bis 2024 verfolgt wird, und des aus ihrer Sicht herrschenden Missmanagements. 1,8 Milliarden Euro Personalkosten sollen eingespart werden, wovon ein Großteil schon umgesetzt ist. Personalvertreter und Gewerkschaften sollten „zur Kapitulation gezwungen werden“, um die Kosten zu drücken, heißt es vonseiten der Personalvertretung. Der Aufsichtsrat müsse auf eine konstruktive Personalführung hinwirken, bei der Wertschätzung „nicht in Floskeln endet, sondern auch so gemeint und gelebt wird.“

Die Geschäftsführung müsse Rahmenbedingungen schaffen, damit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder zu maximaler Leistung bereit wären. Die Personalvertretung sehen danach auch den Vorstand als Mitverursacher für das imageschädigende Flugchaos. Die Lufthansa wollte zu dem Brief keine Stellung nehmen.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr verweist als Ursachen dagegen in erster Linie auf Probleme der Flughäfen und Bodendienste. Er entschuldigte sich kürzlich aber dafür, dass die Lufthansa selbst an der ein oder anderen Stelle zu viel gespart habe.

(APA/evdin)

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