Für die britischen Konservativen ist der Abgang von Premier Johnson eine Chance, zu Grundtugenden wie Aufrichtigkeit und Seriosität zurückzukehren.
Es kam, wie es kommen musste. Boris Johnson stürzte über eine Lüge. Der Anlassfall war – wie passend und grotesk zugleich! – an Niveaulosigkeit kaum zu überbieten: Der Vizefraktionschef der Tories, Chris Pincher, begrapschte in einem Klub volltrunken zwei Männer. Als der Skandal aufgeregt durch die Gazetten flirrte, behauptete der britische Premier, von den charakterlichen Defiziten seines Protegés nie etwas gewusst zu haben. Das war eine Flunkerei zu viel. Denn ein hochrangiger Beamter wies öffentlich nach, dass Johnson persönlich Beschwerden über Pinchers notorische Neigung zu Fehlverhalten vorgelegt worden seien, und zwar schon vor dessen Beförderung.
Ein Tropfen einer seichten Boulevardgeschichte brachte das Fass zum Überlaufen. Ein Regierungsmitglied nach dem anderen reichte den Rücktritt ein. Ihre eigene Glaubwürdigkeit stand auf dem Spiel. Zu oft hatte sie Johnson vorgeschickt, um für ihn Dementis in die Welt zu setzen, die sich als haltlos erwiesen. Auch bei der Affäre um regelwidrige Coronapartys in Downing Street 10 hatte der Premier anfangs beteuert, rein gar nichts mitbekommen zu haben, um dann doch der Unwahrheit überführt zu werden. Am Ende stand Johnson da wie König Ohneland. Er hatte keinen Rückhalt mehr, weder im Kabinett noch in seiner Partei.