Japan

Shinzo Abe, ein "Falke", der den japanischen Pazifismus infrage stellte

Archivbild von Shinzo Abe bei der Wahl 2003, als er noch als Generalsekretär der LDP agierte.
Archivbild von Shinzo Abe bei der Wahl 2003, als er noch als Generalsekretär der LDP agierte.REUTERS
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So lange wie Shinzo Abe war kein anderer zuvor Premierminister in Japan. Erst im Zuge der Coronakrise verlor er zunehmend das Vertrauen der Japaner.

Japans konservativ-nationalistischer Ministerpräsident ShinzoAbe war kein Mann der leisen Worte. In seinen aktiven Jahren als Premierminister machte der nun im Alter von 67 Jahren bei einem Attentat erschossene Politiker mit markigen Äußerungen vor allem in Richtung China und Nordkorea auf sich aufmerksam. Von seinem harten Kurs im derzeitigen Nordkorea-Konflikt erhoffte er sich einen Zuwachs an Popularität.

Abe wurde 2006 erstmals Ministerpräsident und musste schon im folgenden Jahr nach einer schweren Wahlniederlage der LDP das Feld räumen. 2012 kehrte er auf den Posten zurück. 2014 löste er das Parlament auf und trat nach gewonnener Neuwahl Ende des Jahres seine dritte Amtszeit an und blieb dann bis 2020 im Amt.

Zu Beginn seines ersten Mandats war Abe mit 52 Jahren der jüngste japanische Regierungschef aller Zeiten. Er war auch der erste Ministerpräsident, der nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde. Der Spross einer Politikerdynastie, der Politikwissenschaften in Japan und den USA studierte, stieg 1982 in die Politik ein.

Politik gehörte zur Familie

Zuerst wurde er Privatsekretär seines Vaters Shintaro Abe, der damals Außenminister war und vergeblich nach dem Amt des Regierungschefs strebte. Nach dem Tod des Vaters erbte Abe im Jahr 1993 dessen Parlamentssitz. Unter Regierungschef Junichiro Koizumi, Abes Vorgänger bei seiner ersten Amtsübernahme, wurde er schließlich Generalsekretär der regierenden LDP und Regierungssprecher.

Abes Großvater Nobusuke Kishi war Kabinettsmitglied während des Zweiten Weltkriegs und vorübergehend wegen Kriegsverbrechen festgenommen, wurde aber nie angeklagt. Er wurde Ministerpräsident und schmiedete das Bündnis mit den USA.

Aus der Bewunderung für seinen Großvater macht Abe keinen Hehl. Durch seinen Besuch am Yasukuni-Schrein, an dem auch Kriegsverbrecher geehrt werden, löste er 2013 diplomatische Spannungen mit China und Südkorea aus. Beide Länder sehen in dem Schrein ein Symbol des japanischen Militarismus. Konfliktpotenzial mit Peking bergen auch die von Abe erhobenen Ansprüche auf eine umstrittene Inselgruppe im Ostchinesischen Meer.

Wandel der zentralen japanischen Doktrin

Der "Falke" Abe forderte schon in jungen Jahren, die pazifistische Nachkriegsverfassung seines Landes zu überarbeiten. Stattdessen müsse Japan eine stärkere militärische Rolle spielen. Im Jahr 2014 legte seine Regierung die Verfassung neu aus, sodass japanische Truppen erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg an Auslandseinsätzen teilnehmen konnten.

Mit marktwirtschaftlichen Reformen wollte Abe außerdem die Wirtschaft des Landes ankurbeln und das Budget sanieren. Abe stand stets hinter der Atomkraft - auch nach der Fukushima-Katastrophe vom März 2011.

Abes Ehefrau Akie, die Tochter eines berühmten Geschäftsmanns, ist für ihre Liebe zur südkoreanischen Kultur bekannt. Zu Beginn von Abes politischer Karriere stürzten sich die japanischen Medien auf Bilder der Eheleute, die Hand in Hand spazieren gingen. In Japan sind Partner von Politikern nur selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Die Ehe blieb kinderlos.

Bei seinem Rücktritt im Jahr 2020 bat Abe die Japaner aus tiefstem Herzen um Entschuldigung dafür, dass er sein Amt inmitten der Coronavirus-Krise und ein Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit aufgebe. Er bedauere es auch, dass er aufhören müsse, ohne alle seine Ziele erreicht zu haben. Dazu gehöre auch die Verfassungsreform.

Nicht nur sein kritisierter Umgang mit der Coronakrise trug zu Abes wachsender Unbeliebtheit bei den Japanern bei, sondern auch Skandale. So wurden etwa sein Vertrauter, der frühere Justizminister Katsuyuki Kawai, und dessen Frau wegen des Vorwurfs illegaler Stimmenkäufe bei der Oberhauswahl 2019 verhaftet.

(APA/AFP)

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