Analyse

Gesetzliche Fesseln, fehlendes Vertrauen: Österreichs ungeliebter Geheimdienst

Bundesamt fuer Verfassungsschutz und Terrorismusbekaempfung
Bundesamt fuer Verfassungsschutz und TerrorismusbekaempfungJeff Mangione / picturedesk.com
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Ein gut funktionierender Inlandsgeheimdienst wäre in international instabilen Zeiten wichtig. Die Politik verwehrt per Gesetz wichtige Handlungsfreiheit, der Justiz fehlt noch immer jegliche Sensibilität für die Materie.

Wien. In international angespannten Zeiten nimmt Österreich eine wichtige Rolle des Austauschs ein: Spionagetätigkeiten haben derzeit hierzulande wieder Hochkonjunktur. Der Inlandsgeheimdienst hat viel Arbeit, aber kaum Raum, dieser auch effizient nachzugehen.

Wien gilt als Hochburg der Spionage: In einem neutralen Land ist die Hauptstadt Sitz wichtiger internationaler Organisationen von UNO über OSZE bis Opec. Weiters ist die Gesetzeslagefür Spione aller Länder günstig: Es ist nämlich nur das Spionieren gegen Österreich verboten – der Rest interessiert die Ermittler nicht.

Die Justiz ist für den Tatbestand offenbar auch nur wenig sensibilisiert: Die Staatsanwaltschaft Wien hat noch nie eine Anklage wegen Spionage erhoben. Dabei liegen dort derzeit einige spannende Ermittlungen, die auf einen Showdown warten: wie etwa die Causa rund um mutmaßlich korrupt gewordene Ex-Verfassungsschutzbeamte. Sie sollen – unter anderem –für den flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek sensible Daten gegen Geld besorgt haben. Trotz Zigtausender Seiten Ermittlungsakt und dichter Beweislage lässt die Anklage auf sich warten. Selbst wenn es einmal dazu kommt, droht den Beamten ein international lächerliches Strafmaß. Auf „Spionieren zum Nachteil Österreichs“ (Paragraf 256 StGB) stehen fünf Jahre – das wurde zuletzt von drei Jahren erhöht. In Frankreich stehen auf selbiges Delikt bis zu 30 Jahre Haft.

Gesetzliche Fesseln

Wirtschaftsspionage verursacht jedes Jahr Milliardenschäden. Die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hat den hoch technologisierten Möglichkeiten anderer aber nur wenig entgegenzusetzen. Neben qualifiziertem Personal fehlen zeitgemäße gesetzliche Möglichkeiten der elektronischen Überwachung, Peilung und Infiltrierung von Computersystemen per Trojanern. Ein Beispiel: Hierzulande hat man durchaus Erkenntnisse darüber, wer für Russland spioniert. Diese Personen zu überwachen und ihre Bewegungen zu kontrollieren, ist aber kaum effizient möglich. Umgekehrt ist aber davon auszugehen, dass Russland– aber auch viele private Ermittler – diese Möglichkeiten haben und durchaus einsetzen.

Ein weiterer gesetzlicher Pferdefuß ist das sogenannte Legalitätsprinzip, nach dem in Österreich gearbeitet werden muss. Heißt: Wenn dem DSN ein Verbrechen bekannt wird, muss dies unmittelbar zur Anzeige gebracht werden. In Deutschland ist das anders: Dort wird nach dem Opportunitätsprinzip gearbeitet. Heißt: Es kann (muss aber nicht) der Justiz sofort zur Kenntnis gebracht werden. Das eröffnete Handlungsspielräume für Erkenntnisgewinn unter dem Radar.

Justiz mit Bihänder

Dass die Dienste hierzulande der Justiz misstrauen und bei der Zusammenarbeit zögerlich sind, hat Gründe: Gerade die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bewies und beweist, dass sie wenig Gespür für die Materie und Arbeitsweise hat. Sie beschert den Diensten durch ihr Vorgehen nach wie vor schwerwiegenden Vertrauensverlust in der internationalen Zusammenarbeit. Das Agieren der österreichischen Justiz sorgt bei vielen befreundeten Diensten nur für Kopfschütteln: Denn ein Geheimdienst lebt von Vertraulichkeit und davon, dass gewisse Dinge eben geheim bleiben. Dass wie im Februar 2018 eine Razzia bei einem Dienst stattfindet, wäre in anderen Ländern absolut undenkbar.

Die WKStA hat aus dem Skandal offenbar nur wenig gelernt. Erstens arbeitet betreffende Staatsanwältin noch immer an den Geheimdienst-Fällen, obwohl von den Vorwürfen gegen die Beamten de facto nichts übrig ist. Dafür ist der von ihr produzierte Reputationsschaden enorm, etwa weil sie damals Daten internationaler Dienste einkassierte. Allein die Tatsache, dass diese das Amt verließen, war für die Partnerdienste ein unentschuldbarer Affront.

Selbige Staatsanwältin klagt nun ehemalige Verfassungsschutz-Beamte an – die Anklage wirkt wie der Versuch, doch noch eine Rechtfertigung für ihr Vorgehen 2018 zu finden. In dem komplexen Fall geht es um einen syrischen General, der auf Bitten des Mossad 2015 nach Österreich gebracht wurde und hier Asyl bekam. Eine Organisation wirft ihm Kriegsverbrechen vor – trotz jahrelanger Ermittlungen gibt es keine Anklage. Der Mossad – einer der bestinformierten Geheimdienste der Welt – hatte den Mann damals jedenfalls als unbedenklich bewertet. Und die österreichischen Beamten hatten darauf vertraut.

Die Staatsanwältin tritt nun jedenfalls alle Details dieses eigentlich geheimen Deals in ihrem Akt breit – blamiert allein durch diese Tatsache den Mossad und Österreich erneut. Ihre Ermittlungsschritte wirken unbeholfen: So richtete sie in der Sache etwa ein Rechtshilfeersuchen an den französischen Inlandsdienst, der in den Deal involviert war. Sie berichtet auch in diesem Schreiben sämtliche Details und bittet um Einvernahme der französischen Geheimdienstler. „Komischerweise“ erhielt sie keine Antwort.

Die Staatsanwältin betreut auch noch andere Akte rund um den Inlandsnachrichtendienst. Die DSN musste dafür wieder als geheim qualifizierte Dokumente abliefern, und die Staatsanwältin verarbeitete sie wieder in Akten – und erneut hat Österreich gegenüber seinen Partnern Erklärungsbedarf.

Dass so überhaupt vorgegangen werden kann, hat nicht nur eine einzelne Staatsanwältin zu verantworten. Sie hat über sich einen Gruppenleiter. Eine Behördenleiterin. Oberbehörden und das Justizministerium, die das alle mittragen und durchgewinkt haben. Zum Schaden des Dienstes, und zum Schaden Österreichs.

Fehlendes Vertrauen

Der Zustand des Inlandsgeheimdienstes zeigt vor allem eines: dass historische Wunden aus Zeiten der Gestapo noch nicht geheilt sind. Es herrscht noch immer tiefes Misstrauen gegenüber solchen Einrichtungen. Dementsprechend bekommt der Dienst weder bei Politik noch Justiz oder Gesellschaft den Stellenwert, den er in anderen Ländern hat: den einer Eliteeinheit, der man blind vertraut und der man zum Schutz der Bevölkerung große Spielräume einräumt.

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