Wohnen in den Weinbergen. Die früheren Ausweichregionen stehen jetzt hoch im Kurs.
Wenn an den Einserlagen ein Verkäufermarkt herrscht, wenden sich die Kunden häufig den B-Lagen zu oder warten den nächsten Gezeitenwechsel auf dem Immobilienmarkt ab. So weit die herkömmlichen Strategien bei der Befriedigung nicht primärer Wohnbedürfnisse. An den Weinstraßen der Republik funktioniert aber schon seit geraumer Zeit die Strategie „abwarten und Tee trinken“ nicht mehr, und inzwischen wird auch das Ausweichen immer schwieriger. Denn die einstigen B-Lagen sind inzwischen zu A-Lagen mutiert, an denen derzeit ebenfalls kaum etwas zu bekommen ist.
„Preis egal“ im Kamptal
Beispielsweise im Kamptal, an das noch vor 20 Jahren kaum jemand, der vom Häuschen in der Wachau träumte, auch nur einen Gedanken verschwendet hat. Das habe sich inzwischen mehr als gründlich geändert, berichtet Silvia Wolf, Remax-Maklerin für die Region Krems Ost, zu der das Kamptal gehört. „Es gibt einfach nichts“, so die Maklerin. In den letzten Jahren kamen auf ein ganz normales Einfamilienhaus in der Region 40 bis 60 Interessenten, „was zu regelrechten Bieterschlachten führte“. Sobald es sich um historische Gebäude oder Einzellagen mit Blick handle, sei der Preis schlicht egal. „Bei solchen Objekten haben wir seit einem Jahr fast alles online verkauft“, berichtet sie. Die Abwicklung erfolgt dabei über das sogenannte Online-Bieterverfahren der Remax-Gruppe in Österreich, das Interessenten nach der vorherigen Besichtigung des betreffenden Objekts die Möglichkeit bietet, digital Preisangebote abzugeben, unter denen der Verkäufer dann auswählen kann. Was im Kamptal zu Höchstgeboten führte, die man vor ein paar Jahren nur für Objekte in der Wachau erzielen konnte. „Inzwischen gibt es da kaum mehr einen Unterschied“, berichtet Wolf. Viele schätzen es inzwischen sogar, nicht in der touristisch überladenen Wachau zu sein, sondern im zu rund 70 Prozent weniger besuchten Kamptal. Auch das hat die Preise auf ein Allzeithoch gebracht – wer hier etwas Schönes finden will, sollte siebenstellig budgetieren. „Häufig ist es so, dass die Investition ein Drittel und die Sanierung zwei Drittel des Gesamtpreises ausmacht“, weiß Wolf. Für entsprechende „Bastlerhits“ beginnen die Preise derzeit bei 300.000 Euro, nach einer entsprechenden Adaptierung liegen hochwertige Objekte dann bei einer Million und mehr. Für die Zukunft erwartet die Maklerin einen noch hitzigeren Markt, zumal manche Bauträger derzeit Neubauten gestoppt haben, die zur Befriedigung der Nachfrage aber dringend gebraucht würden.

Schielen nach Slowenien
Auch in der Südsteiermark haben viele die Geduld verloren – und dort ist es mit dem Ausweichen ins nächste Tal nicht getan, denn da ist ebenfalls alles Schöne ausverkauft. „Es ist alles noch rarer geworden. Wir haben in der Südsteiermark momentan nichts anzubieten“, bedauert Maklerin Karin Marchl von Herzog Immobilien. Wenn überhaupt, werden Objekte derzeit unter der Hand angeboten, „und das zu Preisen, die absolut in den Bereich der Liebhaberei fallen“. Was durch die Tatsache, „dass derzeit sehr viel Geld auf dem Markt ist“, noch weiter gepusht werde, wie die Maklerin ergänzt. „Denn wenn ein Liebhaber kommt, ist er eben auch bereit, genau diesen Preis zu zahlen.“ Entsprechend müssen Suchende sich mit einem Budget von mindestens einer Million Euro wappnen – dürfen dafür aber noch keinen echten Luxus erwarten. „Ab dieser Summe findet man etwas, aber sicher nicht in den Toplagen“, mahnt Marchl zu Realismus. Dazu zählen neben den bekannten Orten wie Gamlitz, Ehrenhausen oder Kitzeck vor allem alle Lagen direkt am Weinberg, die nicht von den Touristenbussen heimgesucht werden. Eine Situation, die immer mehr heimische Käufer über die Grenze nach Slowenien schielen lässt, das inzwischen auch in Sachen Gastronomie und Infrastruktur aufgeholt hat, wie Marchl berichtet: „Für entsprechende Toplagen würde manch einer durchaus den Schritt über die Grenze wagen.“ Zwar hätten sich dort die Preise ebenfalls nach oben entwickelt, sie lägen aber immer noch deutlich unter jenen auf der steirischen Seite. Darüber hinaus mache das wachsende kulinarische Angebot die „andere“ Seite zunehmend interessanter: „Die beliebte Hiša Franko in Kobarid hat es gerade unter die 50 besten Restaurants der Welt geschafft“, weiß die Maklerin. Was wenig verwundert, denn dort kocht mit Ana Roš eine Frau, die 2017 zur besten Küchenchefin der Welt gekürt wurde. „Viele Grazer fahren gern zum Essen dorthin“, so Marchl, „und das steigert natürlich die Attraktivität der Region.“
Vom „Ausverkauft“-Status der A- und inzwischen auch B-Lagen in den immer schon gefragten Weingegenden profitieren mittlerweile ganze Regionen, die vor fünf Jahren in Sachen Luxusimmobilien noch eher im Dornröschenschlaf lagen. Dazu gehört etwa das Südburgenland. „Jetzt geht es uns wie dem Rest Österreichs“, sagt Angela Pittner, Inhaberin von Südburgenland Immobilien. „Es kommt kaum etwas nach; da muss man schon auf eine Erbschaft hoffen.“

Liebhaber im Südburgenland
Die dann, wie eben überall anders auch, Liebhaberpreise erzielt – besonders dann, wenn es sich etwa um einen schönen Arkadenhof mit etwas Land drumherum handelt. „Solche Objekte liegen zwischen 300.000 und 500.000 Euro“, berichtet Pittner. Außerordentlich begehrt sind Alleinlagen außerhalb der klassischen Straßendörfer. Um 30 bis 50 Prozent seien die Preise im Südburgenland seit Corona gestiegen, trotzdem gebe es kaum noch etwas zu kaufen. Und wenn doch, legen die Bieter gern noch etwas drauf. „Es ist einfach eine Frage, was eine besondere Lage einem Käufer wert ist“, betont Pittner. Und weiter: „Wenn jemand dann 50.000 Euro mehr zahlt, dann schlucken wir zwar, weil wir diese Preise hier nicht gewohnt sind, aber es passt für den Käufer.“ Zumal Pittner bei solchen besonderen Lagen und Objekten im Unterschied zu normalen Einfamilienhäusern keine Chance sieht, dass die Preise jemals wieder hinuntergehen. Es dürfte also nicht einfacher werden, an Österreichs Weinstraßen eine Liegenschaft für das private Idyll in den Reben zu finden. Vielleicht ist ja die Kombination aus „abwarten“ und „Tee trinken in den B-Lagen“ eine Option für den Erfolg. (SMA)
AUF EINEN BLICK
Zweitwohnsitze an den angesagten Weinstraßen sind seit Jahren begehrt und schwer zu bekommen. Weshalb immer mehr Käufer in die einstigen B-Lagen wie das Kamptal statt der Wachau, über die Grenze nach Slowenien statt an die südsteirische Weinstraße oder gleich ganz ins Südburgenland ausgewichen sind. Doch auch diese Regionen sind mittlerweile fast ausverkauft und teuer: Unter einer Million Euro geht kaum noch etwas.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2022)