Lokalkritik

Testessen in der Hey Dim Sum Gallery

Christine Pichler
  • Drucken

Kunst und kantonesisch: In der Hey Dim Sum Gallery wird frittiert, gedämpft und ausgestellt.

Von der Küche her nähert sich ein Turm aus Bambus-Dämpfkörben auf zwei Beinen. Dahinter ist allmählich ein Kochoberkörper auszumachen. Der herbeigeeilte Kellner verteilt die Dämpfkörbe im großen Gastgarten zielsicher auf den verschiedenen Tischen. In der Hey Dim Sum Gallery muss man sich darauf gefasst machen, dass nicht alle bestellten Gerichte in der gewünschten Reihenfolge kommen und auch nicht immer binnen weniger Minuten. Die Bestellungen für gedämpfte Dim Sum wie die mit Schwein und Shrimps gefüllten Shao Mai mit XO-Sauce werden in der Küche immer wieder gebündelt behandelt und teilen sich in vertikaler Form eine einzige dampfende Hitzequelle. Sharing auf andere Art.

Schauraum

Das weitläufige Lokal in der Strozzigasse in Wien Josefstadt dient auch als Schauraum für Kunst, Kooperationspartner ist die Galerie Rudolf Leeb. Im März, als die Küche noch nicht in Betrieb war (Lockdowns in China erschwerten das Visumprozedere für den Koch Zhang Zhifei), zeigte Leeb zwei Fotoausstellungen; mit Fotoarbeiten von Michaela Putz über aussterbene Pflanzen, „Extinction Ballads“, wird nun fortgesetzt.

Christine Pichler

Den Anspruch, sich von anderen chinesischen Lokalen abzuheben, zeigt auch die Speisekarte, etwa bei den Dim Sum, Kleingerichten zwischen sechs bis acht Euro. You Tiao, erstaunlich leichte frittierte Teigstangen, sind unter anderem in Hongkong als Frühstück beliebt. Hier werden sie mit einer säuerlichen dunklen Sauce „nach Geheimrezept“ serviert – schwarzer Reisessig und Sojasauce dürften auf jeden Fall beteiligt sein. Unbedingt bestellen! Der köstliche kantonesische Rettichkuchen Lo Bak Go mit seiner Konsistenz zwischen „chewy“ und knusprig erhält aromatische Verstärkung durch Intarsien aus chinesischer Wurst und Garnelen, auch das Klebreis-Lotusblatt-Paket (vor dem Verzehr auswickeln, zeigt ein schneller Google-Check) überrascht mit würzigem Innenleben. Bei Hauptspeisen wie der klassischen gebratenen Entenbrust oder dem gegrillten Schweinsbauch wird offensichtlich mit großer Sorgfalt hantiert. Völlig gegen den Mainstream schwimmt die Dekoration aus Cocktailkirsche, Heidelbeere und minzblattgefüllter Olive – die Idee entstammt womöglich einem westlichen Kochheft aus den 1970ern.
Wenn danach noch etwas geht: Die Hey Dim Sum Gallery stellt derzeit etwa Kokospudding im Kürbis und mit Frischkäse überbackene Süßkartoffel aus.

Hey Dim Sum Gallery

Strozzigasse 36, 1080 Wien, Tel.: +43/(0)1/956 68 32, Restaurant: Di–So: 11.30–15, 18–22.30 Uhr.

("Die Presse Schaufenster" vom 15.07.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.