Energiekrise

Industrie kritisiert „sechs Monate Beschwichtigungspolitik"

Führende Industriekonzerne fühlen sich von der Regierung schlecht informiert. Sie fordern eine offene Diskussion auch über „Worst-Case-Szenarien“.

Wien. Irgendwann im April habe sich die E-Control gemeldet und gefragt, wie hoch der für heuer geplante Gasverbrauch sei und mit wie viel Gas ein Minimalbetrieb möglich wäre. „Das war's dann auch“, erzählt Michael Junghans. Der Wietersdorfer-Chef hätte sich etwas mehr Kommunikation erwartet. Immerhin beschäftigt sein Konzern fast 3000 Mitarbeiter und ist als energieintensives Unternehmen von der Energiekrise und einem drohenden Gaslieferstopp massiv betroffen und bedroht. Wietersdorfer produziert unter anderem Zement, Kalk und Kunststoffrohre. Seit Kurzem wird die Kalkproduktion im steirischen Peggau teilweise mit Holzstaub befeuert. Allein das Genehmigungsverfahren für eine nachhaltige, CO2-neutrale Produktion habe mehr als vier Jahre gedauert.

Willkommen in der Energiekrise made in Austria. Während Wladimir Putin „die Waffe Energie bewusst gegen Europa einsetzt“, wie Industriellenvereinigung-Präsident Georg Knill sagt, übt sich die Regierung nach wie vor in „Beschwichtigungspolitik“, wie Wietersdorfer-Chef Junghans es formuliert. Seit Monaten fordert die Industrie mehr Informationen von der Regierung. Bis dato fließen Informationen „sehr einseitig und kurzfristig“, wie Knill betont. Er wünscht sich einen offenen, gesellschaftlichen Diskurs, wie in Deutschland. Und dabei müsse man auch „offen und ehrlich über ein Worst-Case-Szenario diskutieren“. Mit anderen Worten: Was, wenn Putin den Gashahn komplett abdreht?

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