Wimbledon

Kyrgios und Djoković, zwei Skandalbrüder im Respekt vereint

Nick Kyrgios ist anders als viele Profis. Nun könnte er seinen ersten Grand Slam gewinnen.
Nick Kyrgios ist anders als viele Profis. Nun könnte er seinen ersten Grand Slam gewinnen.(c) REUTERS (MATTHEW CHILDS)
  • Drucken

Nick Kyrgios und Novak Djoković polarisieren – und spielen um den Titel in Wimbledon. Einst waren sie sich spinnefeind, doch ausgerechnet Corona hat sie einander nah gebracht.

Einen ersten Vorgeschmack auf das für das diesjährige Wimbledon-Finale (Sonntag, 15 Uhr, live Sky) prognostizierte „Feuerwerk der Emotionen“ bekam Novak Djoković unmittelbar nach seinem Halbfinalsieg. Als der Interviewer auf dem Centre Court mit Verweis auf das vierte Endspiel des Serben in Folge den Namen des nächsten Gegners Nick Kyrgios erwähnte, raunten die Zuschauer laut auf, einige jubelten. „Der Job ist noch nicht erledigt“, betonte Djoković. „Er ist ein Spieler für große Spiele. Wenn du seine Karriere siehst, hat er sein bestes Tennis immer gegen die Top-Jungs gespielt. Deshalb respektieren wir ihn alle. Es wird ein interessantes Match.“

Für Djoković ist es am Sonntag bereits sein 32. Endspiel bei einem Grand-Slam-Turnier, mehr als seine Widersacher Roger Federer (31) und Rafael Nadal (30) gespielt haben. Kyrgios gibt hingegen im 30. Anlauf sein Finaldebüt auf der ganz großen Tennis-Bühne. „Die Erfahrung auf diesem Niveau, ein Finale zu spielen gegen jemanden, der noch nie in einem Grand-Slam-Endspiel stand, könnte leicht für mich sprechen“, sagte der 35-Jährige, der seinen siebten Wimbledon-Titel anstrebt. „Aber zugleich weiß ich, wer er ist, wie er Tennis angeht, welche Einstellung er auf dem Platz hat. Es scheint, dass er nicht groß unter Druck steht.“ Die bisherigen beiden Duelle verlor Djoković ohne eigenen Satzgewinn.

Auch wenn der umstrittene Kyrgios zu Beginn dieses Turniers wieder mehr mit Schiedsrichterbeschimpfungen als seinen sportlichen Leistungen in den Schlagzeilen stand, hat sich der 27-Jährige inzwischen stabilisiert. So dominierte der Australier seine jüngsten Partien mit dem gefährlichen Aufschlag, ohne sich selbst immer wieder aus dem Rhythmus zu bringen. „Es gab definitiv Zeiten, in denen ich meinen Sport gehasst habe, aber es gibt auch Zeiten, in denen ich denke, dass ich einer der konkurrenzfähigsten Menschen bin, die ich je getroffen habe“, sagte er vor dem Finale über sich selbst.

Die neue „Bromance“. Tiefe Abneigung bestimmte lange Zeit auch die Beziehung zu Djoković. Er möge ihn „überhaupt nicht“, verkündete Kyrgios noch voriges Jahr. Für das Verhalten von Djoković während der Corona-Pandemie hatte Kyrgios ihn lang kritisiert. Als dem ungeimpften Serben allerdings Anfang des Jahres die Einreise zu den Australian Open verweigert wurde, erhielt er Zuspruch. „Als es für mich wirklich schwer war in Australien, war er einer der wenigen Spieler, die sich öffentlich geäußert und mich unterstützt haben und mir beigestanden sind“, zollte Djoković seinem Kollegen Respekt. „Das ist etwas, was ich wirklich schätze. Ich respektiere ihn sehr dafür.“

Der Australier sagte vor dem Finale, dass ihn mit Djoković inzwischen eine Art „Bromance“, eine freundschaftliche Beziehung zwischen Männern, verbinde. „Ich weiß nicht, ob ich das bereits eine Bromance nennen kann, aber wir haben definitiv eine bessere Beziehung, als sie vor Januar dieses Jahres war“, bestätigte Djoković. Sie würden sich immer direkt Nachrichten bei Instagram schreiben, berichtete Kyrgios. „Es ist wirklich verrückt.“ Früher in dieser Woche habe der ehemalige Weltranglistenerste ihm geschrieben: „Hoffentlich sehen wir uns am Sonntag.“

Djokovićs ungewisse Zukunft. Bei einem Grand Slam könnte es so schnell kein Wiedersehen der beiden geben. Da Djoković sich auch weiterhin nicht gegen Corona impfen lassen möchte, kann er nach jetzigem Stand nicht in die USA zu den US Open im September reisen. Ob der Serbe nach der Einreiseposse diesen Jänner bereits kommendes Jahr wieder nach Australien einreisen darf, ist nach wie vor offen. So muss der 20-malige Grand-Slam-Turniersieger jede Gelegenheit nutzen, um den Herren-Rekord des verletzten Rafael Nadal von 22 anzugreifen. „Ich weiß nicht, wie viele Möglichkeiten ich noch bei Grand Slams haben werde, die Trophäe zu gewinnen“, sagte Djoković bereits.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.