Menschenrechte

„Lizenz zum lebenslangen Einweisen von psychisch Kranken“

Straßburger Gerichtshof billigt lang währende Sicherungsmaßnahme gegen eine psychisch beeinträchtigte Frau.

Wien. Die Sache schien zu Beginn relativ harmlos: Als eine heute 58-jährige Linzerin vor sechs Jahren Taxi fuhr, konnte sie nicht zahlen – kein Bargeld, PIN fürs Plastikgeld vergessen. Also rief der Taxifahrer die Polizei, welche die Frau aufforderte, ihre Personalien anzugeben und die Rechnung am nächsten Tag zu begleichen.

Als die Frau daraufhin agitiert wurde und die Polizisten anschrie, nahm das Unglück seinen Lauf: Sie wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen und ungefähr drei Jahre lang zwangsweise festgehalten. Das geschah zu Recht, wie jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied. Helmut Graupner, Anwalt der Frau, vermisst in dem Straßburger Urteil eine Bedachtnahme auf die Verhältnismäßigkeit. „Das ist die Lizenz zum lebenslangen Einweisen von psychisch kranken Menschen“, sagt Graupner zur „Presse“.

Die Frau hatte einem der Polizisten mit ihren Händen gegen die Brust geschlagen, ohne ihn zu verletzen. Nach ihrer Festnahme stellte der Amtsarzt zwar ihre Haft- und Deliktsfähigkeit fest; er ließ sie aber in die Psychiatrie einweisen, weil sie in psychotischen Episoden andere zu gefährden drohe.

Wenig später stellte ein Facharzt für Psychiatrie und Neurologie fest, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung psychisch Kranker tatsächlich gegeben waren. Nach gut einem Monat wurde die Frau entlassen, um dann jedoch nach nicht einmal einem halben Jahr wegen paranoider Schizophrenie erneut untergebracht zu werden: Sie hatte, wie Nachbarn beobachtet hatten, in ihrer Wohnung gewütet und auch Tötungsfantasien entwickelt.

Mittlerweile hatte auch das Strafverfahren wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt begonnen. Basierend auf weiteren Sachverständigengutachten endete es mit der einer Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, in der die Frau zweieinhalb Jahre lang, bis Oktober 2020, verblieb. Heute lebt sie in einer Wohneinrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung.

Mit einem Antrag auf Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof scheiterte die Frau ebenso wie mit einer Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof. Und mit ihrer Beschwerde gegen Österreich beim EGMR.

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