Kabinett in Sri Lanka will für Einheitsregierung zurücktreten

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Die Demonstranten besetzten am Montag weiterhin Präsidentenpalast, Präsidialamt sowie Residenz des Premierministers. Das Land steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit seiner Unabhängigkeit.

In Sri Lanka will die gesamte Regierung zurücktreten, sobald ein Vereinbarung für Einheitsregierung erzielt werden kann. "Alle Minister, die an der Diskussion teilgenommen haben, wollen den Staffelstab übergeben, sobald eine Einigung über die Bildung einer Einheitsregierung erreicht ist", teilte das Büro des Ministerpräsidenten Ranil Wickremesinghe am Montag mit. Auch Staatspräsident Gotabaya Rajapaksa hat demnach den Kabinettschef über seinen Rücktritt informiert.

Demonstranten besetzten indes am Montag weiterhin den Präsidentenpalast und das Präsidialamt sowie die offizielle Residenz des Premierministers. Sicherheitskräfte versuchten nach Angaben der Polizei zunächst nicht, die Gebäude zurückzuerobern.

Schon am Wochenende hatte der Parlamentspräsident erklärt, Präsident Rajapaksa werde am Mittwoch seinen Posten räumen. Die Demonstranten verlangen aber einen sofortigen Rückzug Rajapaksas. Bis dahin wollen sie ihre Proteste fortsetzen. Demonstranten und Oppositionsparteien fordern auch den Rücktritt von Premier Wickremesinghe. Sie drohen mit landesweiten Streiks ab Donnerstag, sollten Premier und Präsident bis dahin ihre Ämter nicht niedergelegt haben.

Neuer Präsident binnen 30 Tagen

Premier Wickremesinghe hatte am Wochenende seinen Rückzug angeboten, um den Weg für eine neue Regierung unter Beteiligung aller Parteien zu ebnen. Nach Angaben von Verfassungsrechtlern muss nach einem Rücktritt des Staats- und des Regierungschefs Parlamentspräsident Mahinda Yapa Abeywardena die Amtsgeschäfte des Präsidenten kommissarisch übernehmen. Das Parlament muss dann binnen 30 Tagen einen neuen Präsidenten wählen.

Am Wochenende hatten Zehntausende Menschen in Colombo demonstriert. Ihnen gelang es auch, die offiziellen Gebäude zu stürmen. Bilder von Demonstranten im Pool des Präsidentenpalastes gingen um die Welt. Die Ereignisse sind der bisherige Höhepunkt der seit Monaten andauernden Massenproteste. Eine zweite Nacht in Folge spielten die Demonstranten Musik im Präsidialpalast, nutzten Fitnessraum und Schwimmbad.

„Dies ist erst der Anfang"

"Aber es geht nicht nur darum, dass der Präsident geht. Dies ist erst der Anfang," sagte Jude Hansana, der seit Anfang April vor der Residenz protestiert. Der Kampf sei für umfassendere politische Reformen, die die lähmende Wirtschaftskrise in Sri Lanka eindämmen könnten.

Dabei könne eine längere politische Instabilität die Verhandlungen zwischen Sri Lanka und dem Internationalen Währungsfonds über ein Rettungspaket verzögern, sagte der Gouverneur der Zentralbank von Sri Lanka, Nandalal Weerasinghe, der Nachrichtenagentur Reuters. "Auf technischer Ebene haben wir uns (mit dem IWF) fast geeinigt, aber auf politischer Ebene brauchen wir ein höheres Engagement einer stabilen Regierung," sagte Zentralbankgouverneur Weerasinghe. Die politische Unruhe könne die Fortschritte, die man bisher gemacht habe, aber rückgängig machen.

Weerasinghe signalisierte, im Amt zu bleiben: "Ich trage die Verantwortung, nachdem ich für eine sechsjährige Amtszeit ernannt wurde," sagte Weerasinghe. Im Mai hatte er noch gesagt, er könne zurücktreten, wenn es keine politische Stabilität gebe.

Inflation auf Rekordniveau 

Das stark vom Tourismus abhängige Sri Lanka ist wegen der Corona-Pandemie, einer hohen Staatsverschuldung und der gestiegenen Ölpreise in die schwerste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit 1948 gerutscht. Die Inflation im Land mit 22 Millionen Einwohnern erreichte im Juni 54,6 Prozent und die Zentralbank hat davor gewarnt, dass sie in den kommenden Monaten auf 70 Prozent steigen könnte. Zwar kündigte die Regierung Reformen an, konnte den Protest bisher aber nicht stoppen.

ade

(APA/Reuters/dpa)

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