Russland modernisieren, aber wie?

Die EU und Russland unternehmen einen weiteren Anlauf zu einer Modernisierungspartnerschaft. Die Aussichten sind ambivalent.

Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew kommt am Mittwoch zum EU-Russland-Gipfel nach Brüssel. Der Besuch findet vor dem Hintergrund schrittweise verbesserter Beziehungen statt.

Russlands anhaltende wirtschaftliche Schwierigkeiten sind der Hauptgrund für Moskaus Versuch eines Neustarts. Ein etwas freundlicheres internationales Klima wird wohl auch den Kooperationswillen Moskaus gestärkt haben. Das hat sich schon beim Wunsch der Nato nach engeren Beziehungen zu Russland abgezeichnet. Die EU-Staaten selbst zeigen größere Einigkeit als bisher.

Auf der Agenda des Gipfels steht ein neues Übereinkommen, die „Partnerschaft für Modernisierung“, wie sie beim letzten Gipfel beschlossen wurde, sowie eine engere Zusammenarbeit in der Außenpolitik. Die Gespräche darüber liegen seit Monaten wegen des Konflikts um die WTO-Mitgliedschaft Russlands auf Eis; ein Abkommen zwischen der EU und Moskau sollte jedoch für Russland den Weg irgendwann 2011 frei machen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Visa-Erleichterung. Moskau drängt darauf. Beim letzten Gipfel im Juni hat Präsident Medwedjew dazu seinen eigenen Plan vorgelegt. Die EU-Mitgliedstaaten zögern jedoch, Russland mehr Zugeständnisse zu machen als anderen Staaten der Region.

Eine Reihe von Vizeministern war jüngst in Brüssel, um eine Weiterentwicklung der Partnerschaft auszuloten. Das zentrale Problem dabei sind die unterschiedlichen Auffassungen von Modernisierung. Die EU versteht darunter ein umfassendes Programm für Reformen, den Kampf gegen Korruption und eine stärkere Rechtssicherheit; Russland dagegen will eine Erneuerung des bestehenden Systems mit Hilfe von Geld- und Technologietransfer aus der EU.

Rhetorik und Realität

Es ist schwer vorstellbar, wie bei so unterschiedlichen Vorstellungen und Ansätzen eine ehrliche Partnerschaft zu erreichen wäre. Präsident Medwedjew hat wiederholt ein Ende der Gesetzlosigkeit in Russland verlangt – vor allem, um westliche Investoren zu gewinnen. Zwischen Rhetorik und Realität besteht jedoch eine riesengroße Kluft.

Außenpolitisch hat Russland Bereitschaft zu weniger Konfrontation und mehr Kooperation mit der EU signalisiert. Die Beziehungen zu Polen haben sich verbessert, zum Teil wegen des Regierungswechsels, zum Teil wegen des tragischen Flugzeugabsturzes in Smolensk, zum Teil wegen der EU-Präsidentschaft Polens in der zweiten Hälfte 2011.

Ein langjähriger Grenzstreit mit Norwegen wurde gelöst. Auch hat Moskau seine Iran-Politik in Richtung Unterstützung der EU geändert und verstärkte Kooperation in Afghanistan versprochen. Differenzen bestehen weiterhin bei der Durchsetzung des Waffenstillstands in Georgien, sie sind aber keine Hürde mehr für Fortschritte in anderen Bereichen.

Die EU hat einen Vorschlag der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgegriffen und substanzielle Gespräche zur Außenpolitik angeboten. Die Vorbedingung dafür war jedoch eine Haltungsänderung Moskaus bezüglich Transnistrien. Dafür gibt es bis jetzt keine Anzeichen.

Die Aussichten für das Gipfeltreffen sind daher ambivalent. So lange in Russland Rechtsunsicherheit herrscht, so lange es keine gemeinsamen Werte gibt, so lange wird man wohl kaum zu einer echten Partnerschaft auf der Basis gegenseitigen Vertrauens kommen.



Vizekanzler a. D. Erhard Busek ist Präsident des EU-Russia Centers.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.