Die Eliteschule der Roma

(c) FABRY Clemens
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Das "Gandhi-Gymnasium" in Pécs will Roma-Kindern zu sozialem Aufstieg verhelfen. „Jede Volksgruppe braucht eine Elite“, so Direktorin Orsós-Gida der Minderheiten-Schule. Bildungsvorbilder sind auch bitter nötig.

Pécs. Evelins Berufswunsch klingt nicht weiter ungewöhnlich. „Lehrerin oder Kindergärtnerin“ würde sie gerne werden, sagt die 17-Jährige, die in einem weiß-braun-gestreiften T-Shirt auf der Schulbank sitzt. Zwei Goldcreolen blitzen zwischen ihrem schwarzen Haar hervor.

Tausende andere Mädchen in Ungarn mögen einen ähnlichen Berufswunsch haben. Doch Evelin stammt aus einer Roma-Familie. Sie besucht das einzige Roma-Gymnasium Ungarns in der Stadt Pécs. Das Ungewöhnliche an ihrem Berufswunsch ist, dass die 17-Jährige ihren Traumjob tatsächlich bald ergreifen könnte.

„Jede Volksgruppe braucht eine Elite“, sagt Erzsébet Orsós-Gida, Direktorin des Gandhi-Gymnasiums, eine energische Pädagogin mit Pepitarock und rotem Haar. Ungarns Roma haben Bildungsvorbilder wie sie bitter nötig: Weniger als ein Prozent der Volksgruppe besitzt einen Universitätsabschluss. Die Lehrer des Gandhi-Gymnasiums wollen das ändern.

Aber braucht man dazu wirklich eine eigene Schule? „Wir schützen die Kinder ein bisschen“, sagt Orsós-Gida. „Segregiert“ dürfe man die Schule nicht nennen: Auch „ein paar“ ungarische Kinder würden hierherkommen. Wichtig sei, dass Roma-Kinder einen positiven Bezug zur eigenen Kultur und Sprache entwickelten. Am Gandhi-Gymnasium, das auch von der EU gefördert wird, werden neben Ungarisch zwei Roma-Sprachen unterrichtet. 250 Kinder lernen derzeit in dem lichtdurchfluteten Gebäude mitten in einem Wohnviertel. Fast die Hälfte der Absolventen des letzten Jahrgangs studiert. Ein guter Schnitt, findet Orsós-Gida, aber nur ein Anfang. „Ein Gymnasium kann das Problem der Armut nicht lösen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2010)

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