Prozess

"Bekennende Feministin" verteidigt Mann nach Beziehungstat

Im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien (Bild) wurde eine typische Beziehungstat abgehandelt. Der Angeklagte hatte auf seine Frau eingestochen. Diese wäre fast verblutet.
Im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien (Bild) wurde eine typische Beziehungstat abgehandelt. Der Angeklagte hatte auf seine Frau eingestochen. Diese wäre fast verblutet.Caio Kauffmann
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Weil er sich in seiner Ehre verletzt fühlte, stach Q. S. (52) auf seine Frau ein. Seine Anwältin erklärte, warum sie als „bekennende Feministin“ die Verteidigung übernahm.

„Es ist eine der vielen Beziehungstaten. Wieder einmal ist der Ehemann auf die Ehefrau losgegangen. Diesmal hat das Opfer Glück gehabt. Die Frau hat überlebt. Dank der raschen Rettungskette.“ So leitet Staatsanwältin Julia Koffler-Pock am Mittwoch im Straflandesgericht Wien den Schwurprozess wegen versuchten Mordes ein.

Der Angeklagte, Q. S., ist vor zehn Jahren von Afghanistan nach Österreich gekommen. Aufgrund seiner damaligen Angaben gilt er als 52-jährig. Mittlerweile hat Q. S. („Ich war Geschäftsmann“) Asylstatus.
Am 10. Jänner dieses Jahres hat er in der ehelichen Wohnung in Wien-Favoriten mehrfach mit zwei Küchenmessern auf seine gleichaltrige, ebenfalls aus Afghanistan stammende Frau eingestochen. „Aus Eifersucht“, sagt die Anklägerin – aus grundloser Eifersucht, wohlgemerkt.

„Meine Ehre wurde verletzt“, erklärt der Angeklagte. Bevor er „die Kontrolle verloren“ habe, sei er von seiner Frau beleidigt worden. „Es sind Schimpfwörter gefallen, die ich nicht über die Zunge bringen kann.“
Dabei war es doch umgekehrt. Die Frau, L. S., hatte – realen – Grund zur Eifersucht. Sie hatte nämlich das Foto einer nackten Frau am Handy des Mannes entdeckt und ihm Vorhaltungen gemacht. Auch soll sie ihm eine Kaffeekanne vor die Füße geworfen haben. Daraufhin kam es zu den Attacken.

„Ich verurteile mich selbst“

„Ich war zornig. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich bereue das tausendmal. Mein Gewissen ist der Richter in mir. Ich verurteile mich selbst.“ All dies gibt Q. S. in blumigen aber ausweichenden Worten zu Protokoll. „Ich habe sie verletzt, aber ich wollte sie nicht umbringen.“ Also „nicht schuldig“ im Sinne der Anklage.

Hier hakt die Verteidigerin des Mannes ein – eine Frau, mit der man in dieser Rolle nicht rechnet: Alexia Stuefer, Vizepräsidentin der Strafverteidiger-Vereinigung, bekannt für ihr menschenrechtliches Engagement, zuletzt etwa als Vertreterin von Opfern von Polizeigewalt aktiv, holt aus: Warum sie „als bekennende Feministin“ denn ausgerechnet in diesem Fall die Verteidigung übernehme, sei sie im Vorfeld gefragt worden. Nun, sie tue dies, weil der Mandant auf ihre Bedingungen eingegangen sei. Stuefer in lauten, sehr bestimmten Worten: „Ich sagte zu ihm: Ich übernehme den Fall, wenn Sie sich mit Ihrem Verhalten auseinandersetzen; wenn Sie sich entscheiden, sich mit den Beweisen auseinanderzusetzen.“

„Nur“ absichtliche schwere Körperverletzung?

Sodann erklärt sie den Geschworenen, dass es alternativ zu Mordversuch auch die Möglichkeit gebe, ein Urteil wegen absichtlich schwerer Körperverletzung zu fällen. Und sie mahnt wortgewaltig die Unschuldsvermutung ein – weil die Staatsanwältin zuvor daran erinnert hat, dass gegen den Angeklagten schon mehrere Strafverfahren wegen mutmaßlicher Gewalt gegen die Familie gelaufen seien, die Verfahren aber mit Einstellungen bzw. einem Freispruch im Zweifel endeten. Ebenso hat die Anklägerin eingangs daran erinnert, dass Q. S. seit seiner Ankunft in Österreich „keiner Beschäftigung nachgeht“ und monatlich „950 Euro Sozialhilfe bezieht“. Seine Frau hingegen musste als Putzfrau arbeiten, um die fünfköpfige Familie zu erhalten.

„Was haben Sie sich dabei gedacht, als Sie auf Ihre Frau eingestochen haben?“, will Richter Christoph Bauer wissen. Q. S.: „Ich habe nicht gewusst, dass ich sie am Hals getroffen habe.“ Richter: „Wo wollten Sie denn hinstechen?“ Q. S.: „Ich wollte sie an den Füßen verletzen.“ Richter: „Das ist aber eine breite Streuung.“

Dem mutigen Eingreifen eines Nachbarn verdankt die Frau ihr Leben. Sie war nach einem ersten Messerangriff ins Stiegenhaus geflüchtet. Der Mann war ihr gefolgt, hatte mit „Kopf-Abschneiden“ gedroht und weitere Stiche geführt. Der Nachbar packte den Angreifer an der Hand. Ließ dann aber aus Eigenschutz ab. Danach stach Q. S. laut dem Nachbarn erneut auf die Frau ein. Letztere sagt nun unter Tränen, sie habe befürchtet, dass ihre Halsschlagader durchtrennt worden sei. Das (nicht rechtskräftige) Urteil: 18 Jahre Haft wegen versuchten Mordes. 

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