Rock

Guns N' Roses sind schrecklich unhip, aber sie wirken

Allen J. Schaben / Los Angeles Times via Getty Images
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Vitale Gitarrenriffs und ein charismatischer Zeiserltenor: Die Hardrock-Veteranen Guns N' Roses füllten ganz locker das Wiener Praterstadion. Ethos hoch, Drehzahl hoch und die Herren Axl Rose und Slash in Spitzenform. Eine gelungene Soirée für eine große Menge von Treuen.

Er ist wieder heraus aus der Horizontalen. Das gebrochene Bein des Herrn William Axl Rose ist gut verheilt. Das demonstriert er mit ein paar lässigen Läufen. Ein bisserl wie ein Fußballer, der einen Elfmeter tritt.

Nicht zu wenig Tritte hat sich Rose auch selbst verpasst. Rockbusiness halt. Die Klischees leben. Wahllos Drogen, gezielt zu viel Sex, man weiß nicht, was den Körper mehr schindet. Die größte Rauschmittel scheint allerdings die Bühne zu sein. In der Zwischenzeit nahm Rose sogar Lohnarbeit an, tourte als Sänger von AC/DC. Eigentlich ein Sakrileg. In die Fußballsprache übersetzt: Man kann nicht bei Rapid und Austria gleichzeitig spielen.

Egal. Mittlerweile sieht der heuer 60 Jahre alt gewordene, nüchterne Rose aus wie Helmut Berger nach 16 Rüscherln, jener vitalen Mischung aus Cola und Weinbrand, die die Welt hübsch koloriert. Die heutige Jugend trinkt ja eher Flügerl, den Mix aus Energy Drink und rotem Wodka. Nochmals egal, denn im Wiener Praterstadion gab es ausschließlich Bier. Ambulant damit handelte eine Crew aus Burschen, die am Rücken einen Tornister trugen, aus dem ein Schläucherl ragte. Damit wetzten sie noch in die engsten Ecken. Nur spießige Rocker beschwerten sich darüber, dass nicht sonderlich gepflegt gezapft wurde. Wie auch?

Auf der Bühne bot sich ein anderes Bild. Die geliebten Veteranen des Hardrock zapften ihr Œuvre routiniert an unterschiedlichsten Stellen an. Ihre zentrale Botschaft kommunizierten Axl Rose und der zweite Hauptdarsteller Slash zudem über ihre Adjustierung. Der vital aussehende Slash zeigte sich mit Totenkopf am T-Shirt. Für jene, die ein bisserl schwer von Begriff sind, stand noch „The End“ darunter. Ein klassisches Memento mori.

Auf der Brust von Rose stand hingegen „Sex cures the crazy“. Zwischen Sex und Tod spielt sich das Leben ab. Begehren und Angst sind große Triebfedern, nicht zuletzt für Musiker. Zwischen Sex und Tod, personifiziert durch Rose und Slash, stand Bassist und Sidekick Duff McKagan und schaute lieb, sogar bei Songs, die „Reckless Life“ hießen. Er ist der George Harrison der Band und durfte einmal singen. Mutig nahm er sich Iggy Pops „I Wanna Be Your Dog” vor. Das ging ganz gut, weil er es von Punk auf Rock runterverlegte. Das vertrug sich mit seiner Stimme, die nicht mit Melismen geizte.

Meisterlich: „Wichita Lineman“

Solche Knödeleien erspart sich Leadsänger Rose. Von seinem einst so stolzen Organ ist nicht mehr viel mehr übrig als eine Art Zeiserltenor, der schwer um die Ecke kommt. Und doch kann er mit den Rudimenten mehr anfangen als manch junger Sänger mit vollem Stimmumfang. Sein Meisterstück demonstrierte er mit der Country-Ballade „Wichita Lineman“, die Glen Campbell 1968 in die Hitparaden wuchtete. Für Bob Dylan ist das Lied aus der Feder von Jimmy Webb der beste Popsong ever. Es ist einfach zu hören, aber schwierig zu singen. Rose meisterte den Silbenslalom mit Bravour.

Weitere Ausflüge weg vom Rock machten gleichfalls Spaß. Die krachend exekutierte McCartney-Nummer „Live And Let Die“ etwa. Das ausgiebig zelebrierte „Knockin' On Heaven's Door“, eine klassische Feuerzeugballade. Slash war in Spitzenform. Jedes seiner Soli war von höchster Flamboyanz. Die Hits wurden brav heruntergeklopft. Slash-Lookalikes sangen lauthals mit, Rose-Lookalikes spielten Luftgitarre. Alles geriet ein wenig durcheinander im Publikum. Taumelnde Rocker und auch recht viele Damen, die ihre Peckerln an die frische Luft führten. Schlüsselmomente waren das intensive „Sweet Child O' Mine“ und das knochentrockene „Absurd“, das mächtig anschob.

Rock dieser Art ist unglaublich unhip. Er zieht dennoch ein Massenpublikum an. Rocker sind treu, doch Treue kostet Kraft. Blickte man sich Stadionoval um, wurde klar: Rocken verbraucht die Menschen deutlich mehr als Swingen oder Grooven. Die Leute nehmen es hin. Rockfan zu sein, das ist ja auch ein wenig Schicksal.

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