Biotechnologie

Schimmelpilze können Mikroplastik filtern

Wie lassen sich winzig kleine Plastikpartikel aus der Umwelt entfernen? Eine mögliche Antwort darauf könnten Biofilter mit Pilzen sein, haben Innsbrucker Forschende herausgefunden. Sie nutzen die gleichen Schimmelarten, die in unseren Kühlschränken vorkommen.

Plastik ist aus unserer modernen Gesellschaft nicht wegzudenken. Seit den 1950er-Jahren ist es ein Werkstoff für Massenprodukte, jedes Jahr werden rund 400 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Doch mittlerweile ist auch klar, dass Plastik viele Probleme schafft. Winzig kleine, für das menschliche Auge zum Teil nicht sichtbare Plastikteilchen sind praktisch überall zu finden – auch in der Nahrungskette.

Wenn wir Kleidung aus Kunstfasern waschen, gelangt Mikroplastik in das Abwasser. Es wird als Reifenabrieb frei oder landet als Verpackung nicht immer im Müll. Werden Mikro- oder Nanoplastikpartikel über die Nahrung aufgenommen, können sie jeden Organismus schädigen – vom Kleinstlebewesen bis hin zum Menschen. „Mikroplastik ist ein globales Problem“, sagt Andreas Walter, Biotechnologe am MCI in Innsbruck, das Teil der europäischen Universitätsallianz Ulysseus ist und den Innovation Hub Lebensmittel, Biotechnologie und Kreislaufwirtschaft koordiniert.

Das Department Bio-&Lebensmitteltechnologie, an dem Walter arbeitet, hat schon vor einiger Zeit beschlossen, auch in diesem Bereich aktiv zu werden. Ein Forschungsprojekt beschäftigt sich dabei mit der Biosorption: einem Vorgang, bei dem gezielt Pflanzen oder Mikroorganismen eingesetzt werden, um winzige, unerwünschte Partikel zu binden und damit zu isolieren.

„Begonnen haben wir mit dem Versuch, Mikroplastik mit Algen zu binden“, erzählt Andreas Walter. Doch dieser Ansatz erwies sich als wenig erfolgreich. Eine Kooperation mit Andreas Wagner vom Institut für Mikrobiologie der Universität Innsbruck, der mit der Betreuung einer Masterarbeit die wissenschaftliche Grundlage lieferte, brachte Walter und sein Team auf die Idee, Schimmelpilze für die Biosorption einzusetzen. „Wir haben uns dabei bewusst für gängige Schimmelpilze entschieden, wie sie in fast jedem Kühlschrank vorkommen können, und wollten wissen, ob sie das Potenzial haben, Mikroplastik zu binden“, erläutert Walter. „Diese Pilze sind Universalstrategen, sie sind sehr robust und halten auch große Temperaturunterschiede aus.“

Raus mit den unerwünschten Partikeln

Insgesamt wurden drei verschiedene Pilzstämme untersucht. Schon bald zeigte sich: Die Schimmelpilze erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen. Im Labor konnten die Pilzarten die winzigen Polyamidpartikel innerhalb von 24 bis 72 Stunden sorbieren und damit ihrer Umwelt entziehen – mit einer Effizienz von 59 bis 67 Prozent. Die Pilze wachsen in Flüssigkeit und bilden Hyphen (kleine Fäden), die das Mikroplastik binden. Dabei entstehen kleine Kugeln, sogenannte Pellets, die mehrere Zentimeter groß werden können.

„Noch sind wir in der Grundlagenforschung“, sagt Walter und denkt dabei aber auch schon an mögliche Anwendungsfelder. „Es ist vorstellbar, Mikroorganismen als Biofilter für Mikroplastik zu verwenden“, meint der Innsbrucker Biotechnologe. Ähnlich wie bei einer Kläranlage, in der Mikroorganismen dem Abwasser Schmutz- und Schadstoffe entziehen, die dann als Schlammflocken zu Boden sinken, könnten Schimmelpilze die winzigen Plastikteilchen an sich binden und sie somit aus der Umwelt entfernen.

Membran- oder Nanofilter seien teuer und können verstopfen, erläutert Walter. Aber von Schimmelpilzen bewachsene Gitter, die man beispielsweise in einen Zu- oder Abfluss eines Gewässers stellt, könnten als Biofilter funktionieren – so seine Überlegungen in Bezug auf die Anwendung. Solche Biofilter hätten noch einen Vorteil: Sie müssen nicht ständig gewartet oder getauscht werden, weil sie sich selbst regenerieren und die Pilze laufend nachwachsen.

Aktives Auffressen von Plastik als Idee

Es existieren auch Mikroorganismen, die Plastik aktiv abbauen. Japanische Kollegen konnten 2016 ein Bakterium, Ideonella sakaiensis, aus einer PET-Recyclinganlage isolieren, welches an Plastik bindet und es aktiv als Substrat nutzen kann. Das heißt, dass sich dieses Bakterium von Plastik ernährt. Kleine PET-Stücke, die mit dem Pilz in Kontakt gebracht wurden, konnten binnen sieben Woche vollständig abgebaut werden. Auch das wäre ein spannender Ansatz, um das ungeliebte Mikroplastik aus der Umwelt zu entfernen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2022)

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