EuGH

EU-Kommission verklagt Ungarn wegen Informationsbeschränkung über Homosexualität

Archivbild von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán.
Archivbild von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán.REUTERS
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Ungarn drohen gleich in zwei Klagen Geldstrafen: Wegen des Gesetzes, das Informationen über nicht heteronormative Beziehungen und Identitäten für Kinder verbietet - und wegen des Umgangs mit dem beliebten Radiosender Klubradio.

Die EU-Kommission verklagt Ungarn wegen mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Recht gleich zwei Mal vor dem Europäischen Gerichtshof. Dabei geht es zum einen um ein Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität und Transidentität, wie die Behörde am Freitag in Brüssel mitteilte. Der andere Fall betrifft das Vorgehen der ungarischen Behörden gegen den unabhängigen Radiosender Klubradio. Und wegen des Tankrabatts eröffnet die EU-Kommission außerdem ein neues Vertragsverletzungsverfahren.

Die EU-Kommission überwacht die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der Staatengemeinschaft. Sollte Ungarn sich nicht an die nun zu erwartenden EuGH-Urteile halten, drohen hohe Geldstrafen. Kritiker werfen dem rechtsnationalen Regierungschef Viktor Orbán schon lange vor, neben den Rechten von Minderheiten auch demokratische Institutionen und die Pressefreiheit auszuhöhlen, sich die Justiz untertan gemacht zu haben und Ressentiments gegen Ausländer zu schüren.

Die verkürzt oft als „Homosexuellen-Gesetz“ bezeichnete Rechtsverordnung hatte Orbán schon im vergangenen Jahr heftigen Gegenwind in der EU beschert. "Dieses ungarische Gesetz ist eine Schande", sagte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen damals. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte machte deutlich, dass er für Ungarn keinen Platz mehr in der EU sieht, wenn die Regierung in Budapest so weitermacht.

Darstellung nicht-heterosexueller Beziehungen beschränkt

Das Gesetz trat im Juli 2021 in Kraft. Es verbietet Publikationen, die Kindern zugänglich sind und nicht-heterosexuelle Beziehungen darstellen. Auch wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen. Orbán selbst wies jede Kritik an den neuen Regeln zurück - und behauptete, er verteidige vielmehr die Rechte von Homosexuellen.

Die EU-Kommission ist jedoch der Ansicht, dass das Gesetz unter anderem Minderheiten auf Grundlage ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität diskriminiert sowie gegen Grundrechte und EU-Werte verstößt. Deshalb leitete die Behörde vor genau einem Jahr ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein. Budapest räumte die Bedenken bisher jedoch nicht aus.

Klubradio sendet nur noch im Internet

Gleiches gilt für das Vorgehen gegen das Klubradio, den wohl letzten professionellen unabhängigen Radiosender des Landes. Der Sender musste im Februar 2021 den UKW-Sendebetrieb einstellen, weil die regierungsabhängige Medienbehörde die Sendelizenz nicht verlängert hatte. Seit dem Amtsantritt des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Orbán 2010 war der private Sender regelmäßig Repressionen seitens der Medienbehörde ausgesetzt. Unter anderen durfte er vor dem Lizenzentzug nur noch im Großraum Budapest senden. Derzeit verbreitet das Klubradio sein Programm nur noch über das Internet - allerdings mit deutlich geringerer Reichweite.

Die EU-Kommission begründete die EuGH-Klage am Freitag damit, dass Ungarn die Regeln zur Verlängerung der Sendefrequenz in einer unangemessenen und diskriminierenden Weise angewendet habe.

Vertragsverletzungsverfahren wegen Tankrabatts

Auch auf anderer Ebene gibt es Ärger zwischen EU und Ungarn. Ungarn verstößt mit der Benachteiligung von Ausländern an Tankstellen nach Ansicht der EU-Kommission gegen EU-Recht. Die Brüsseler Behörde leitete am Freitag ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land ein. Demnach verstößt die Maßnahme Ungarns gegen die Regeln des Binnenmarktes.

Die ungarische Regelung sieht vor, dass Halter von Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen nicht von staatlichen Zuschüssen profitieren dürfen und daher höhere Preise an Tankstellen zahlen müssen. Der Kommission zufolge zahlen Halter ungarischer Fahrzeuge dadurch um 60 bis 70 Prozent weniger für Sprit. Die Regierung hatte den Rabatt vor dem Hintergrund der hohen Energiepreise eingeführt.

Die Kommission rief Ungarn dazu auf, sich an die Regeln für den freien Verkehr von Waren und Personen innerhalb der EU zu halten, auch in Bezug auf Verkehrsdienstleistungen. Besonders in der gegenwärtigen Situation sei es wichtig, dass der Binnenmarkt funktioniere, um die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine für die Wirtschaft abzufedern. Einzelgänge auf nationaler Ebene und diskriminierende Regeln seien keine Lösung, hieß es.

Sollte Ungarn die Bedenken der EU-Kommission im Laufe des Verfahrens nicht ausräumen, könnte die Behörde das Land vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.

(APA/dpa)

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