"4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage".
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Wie Filme (und Serien) mit dem Thema Abtreibung umgehen

Die Einschränkung des Abtreibungsrechts in den USA schlägt hohe Wellen. Wo Filme oft schilderten, wie Frauen Abtreibungshürden umgehen, widmen sich Serien den Gefühlen hinter dem Thema.

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4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage

Von Cristian Mungiu, 2007
Zu sehen auf Mubi

Ein Argument, das US-Abtreibungsgegner bisweilen ins Feld führen, ist die gesundheitliche Gefährdung von Müttern durch die invasive Prozedur. Was es voraussetzt, ist, dass ein erschwerter Zugang zu Abtreibungen auch deren Zahl reduziert. Ist dies nicht der Fall, steigt nach einem Abtreibungsverbot die Summe illegal vorgenommener Schwangerschaftsabbrüche – und dass diese meist gefährlicher sind als legal durchgeführte, versteht sich von selbst. Ein besonders abschreckendes Szenario malt der Film „4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage“ aus: Zwei Studentinnen im kommunistischen Rumänien unter dem Diktator Ceaueşescu, wo selbst Verhütungsmittel tabu waren, unterziehen sich einem erniedrigenden Spießrutenlauf, um eine Abtreibung zu ermöglichen.

Finsteres Herzstück des bitteren Dramas, dessen beklemmende Stimmung sich einem virtuosen (und subtil stilisierten) Naturalismus verdankt, ist der Abbruch selbst, vollführt von einem maliziösen Mediziner (unheimlich: Vlad Ivanov). In Cannes gewann „4 Monate“ die Palme d'Or. Was nicht nur eine Neue Welle im rumänischen Kino befeuerte, sondern auch Maßstäbe setzte für Filme zum strittigen Thema – an denen sich zuletzt der Venedig-Sieger „Das Ereignis“ (2021) messen musste. (and)

Niemals Selten Manchmal Immer

Von Eliza Hittman, 2020
Zu sehen bei Amazon

Weil Abtreibungen ohne elterliche Bewilligung für Minderjährige in Pennsylvania verboten sind, fährt die ungewollt schwangere 17-Jährige Autumn (Sidney Flanigan) nach einem gescheiterten Selbstabort-Versuch heimlich mit einer Freundin nach New York. Voller Feingefühl, auch im Ästhetischen, schildert US-Regisseurin Eliza Hittman den Lauf dieser politisch brisanten Risikoreise. (and)

Eine Frauensache

Von Claude Chabrol, 1988
Zu sehen auf Mubi

Marie Latour (groß: Isabelle Huppert) fristet ein tristes Dasein im Frankreich Pétains. Eines Tages findet sie ihre Nachbarin in einer Wanne voller Senfwasser: „Bertrand will das Kind nicht.“ Aus Mitgefühl hilft Marie bei der Abtreibung, bald ist sie als „Engelmacherin“ bekannt. Die illegale Tätigkeit der sensiblen Pragmatikerin bringt ihrer Familie ein bisschen Wohlstand. Bis das Vichy-Regime beschließt, ein Exempel zu statuieren – für die „moralische Restauration“.

Claude Chabrol, Meister der gnadenlos nüchternen Dekuvrierung der Scheinheiligkeiten seiner Nation, skizziert in diesem vielfach prämierten Film auch ein Sittenbild der Okkupationszeit, in der frustrierte Männer Frauen für die Selbstbestimmung, die sich diese herausnehmen, fast noch mehr zu verachten scheinen als ihre deutschen Besatzer. (and)

Unpregnant

Von Rachel Lee Goldenberg, 2020
Zu sehen auf Sky

Der Weg ist das Ziel? Nicht, wenn das Ziel eine Abtreibungsklinik ist. Dieses Roadmovie nutzt die Fahrt dennoch für eine spritzige, aber scharfe Anklage gegen die Hürden, die jungen, ungewollt schwangeren Frauen in den USA in den Weg gelegt werden. Die 17-jährige Veronica (Haley Lu Richardson), in deren Heimatstaat Missouri Minderjährige nicht ohne elterliche Erlaubnis eine Schwangerschaft abbrechen dürfen, macht sich auf einen 14-Stunden-Trip nach Albuquerque – mit ihrer einst besten, nun entfremdeten Freundin Bailey (Barbie Ferreira).

Hier enden Parallelen zu „Niemals Selten Manchmal Immer“ (siehe oben): „Unpregnant“ erzählt seine warmherzige Geschichte in weit grelleren Tönen. Eine Begegnung mit militanten Pro-Life-Aktivisten nimmt hier etwa die Züge einer Horrorkomödie an. Die entscheidende Prozedur selbst wird nicht dramatisiert, wohl aber der Weg dahin – inklusive Einzug mit Limousine. Ein hart erkämpfter Triumph. (kanu)

Abtreibungsszenen in Serien

Würde sie sich bitte erdreisten, zu ihrer Abtreibung zu erscheinen? Spricht Marnie ihrer Freundin Jessa in „Girls“ (Staffel 1, Folge 2, zu sehen auf Sky) auf die Mailbox. Jessa trinkt gerade lieber White Russian in einer Bar und verschwindet mit einem Typen auf der Toilette, als sich mit ihrer ungewollten Schwangerschaft, deren Beendigung und den emotionalen Nebenerscheinungen zu befassen. In der Klinik warten indessen ihre Freundinnen, die mit unterschiedlich ausgeprägter Gelassenheit auf die Prozedur blicken.

Die relative Beiläufigkeit (nicht zu verwechseln mit Unbekümmertheit) einzufangen, die eine Abtreibung haben kann, gelingt Serien in der Regel besser als Filmen. In „Sex and the City“ (auf Sky) sprechen Carrie und Samantha unumwunden von früheren Eingriffen, in „Jane the Virgin“ (Netflix) wird die schwierige Entscheidung mehrmals verhandelt – mit unterschiedlichem Ausgang. Einen witzigen Zugang findet „Sex Education“ (Staffel 1, Folge 3, Netflix): Die Schülerin Maeve wird in einer Klinik behutsam durch alle Schritte geleitet. Draußen wartet ihr guter Freund Otis im Anzug und mit Blumen: Maeve hat ihn herbestellt, um sie nach dem Eingriff abzuholen; er dachte, es wäre ein Date. (kanu)

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