Unterwegs

Das ausdauernde Gänseblümchen

Der Mensch ist überall verbreitet. Das gilt auch für einige Tiere und Pflanzen. Gegen Heimweh hilft aber nur eine dieser Arten.

Zuweilen packt Reisende das Heimweh. Oft geht es vom Magen aus, dann ist es schwer zu bekämpfen, weil es in den meisten Weltgegenden an Schnitzelbuden mangelt. Also flüchten Leidende zu McDonalds und Starbucks. Die mit Ketchup verschmierten Fleischlaberln in schlabbrigen Brötchen und die völlig überzuckerten Kaffeederivate schmecken auf der ganzen Welt gleich ungut – darauf ist wenigstens Verlass. Sie sind das kulturelle Pendant zu jenen Tieren und Pflanzen, die überall gedeihen, sei es faktisch als Kosmopoliten oder potenziell als Ubiquisten.

Vielleicht kann uns ihr Anblick trösten? Aber ach! Sie sind meist eine unerfreuliche Gesellschaft: Die Gemeine Stubenfliege überträgt gemeinerweise Krankheiten, und vor Hausmaus und Wanderratte hat es uns immer schon gegraust. Dabei sind wir an der globalen Verbreitung dieser Lästlinge selbst schuld, weil sie Kulturfolger sind – wo es den Homo sapiens hinzog, schleppte er auch sie mit ein. Die anspruchslose Brennnessel freilich brennt auch ohne unser Zutun überall (außer in der Antarktis), und die Ameise inszeniert ihre Massenaufmärsche nur dank extremer Anpassungsfähigkeit von den Tropen bis zum Polarkreis.

Aber da ist doch etwas, was wunde Herzen heilt: das Ausdauernde Gänseblümchen. Es floriert auf jedem Rasen Europas, auch unterm Schnee. Und durch verunreinigten Grassamen hat es sich längst bis Amerika, Australien und Hawaii ausgebreitet. Mir jedenfalls geht es so: Wo ich mich in die Wiese lege und neben mir ein Gänseblümchen sehe, fühl ich mich nie ganz fremd. Als echter Kosmopolit.

karl.gaulhofer@diepresse.com

Nächste Woche: Christoph Zotter

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2022)

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