Wiener Originale

Verwilderter Narr und nackter Strawanzer

Der Gänsehäufel-Gründer, Florian Berndl, lässt Männer und Frauen gemeinsam schwimmen und empfiehlt bereits 1900 das Nacktbaden. Als Naturapostel kämpft er für eine einfache, natürliche Lebensweise.

Erinnerung an einen Sommersonntag. 35 Krügeln im Schatten. 1963. Oder 1964.

Als Gschropp verbringe ich einen der heißesten Tage des Jahres mit meiner Tante Pepi, die stolze Besitzerin einer Kabane im Gänsehäufel ist. Schatten spendet eine mächtige Trauerweide. Man glaubt gar nicht, was in der mit DC-Fix-Plastiktapete ausgeschlagenen Kabane alles Platz findet: fröhlich gemusterte Liegebetten, zusammenklappbare Tische und Sessel, Sonnenschirme und deren Ständer, Luftmatratzen, Schwimmreifen und -flügerln, Häferln, Reindln und Teller, der Spirituskocher, Plastiktischtücher mit Sonnenblumen-Motiven, Tupper-Gschirrln voller Schnitzerln, Gurken- und Erdäpfelsalat, Thermoskannen in verschiedenen Größen, Rex-Gläser mit eingelegtem Rumobst, eine leere Chianti-Flasche vom letzten Jesolo-Urlaub mit einer Kerze drin, ganze Armeen von Gelsenbekämpfungsmitteln und Sonnencremen, das Philips-Party-Kofferradio, Eau de Cologne Chat Noir, mehrere Ausgaben der „Wiener Illustrierten“ und ein Turm voller Spielkarten. Man wird ja nach dem Mittagessen noch eine Partie Rommé spielen dürfen . . .

Im Gänsehäufel. Gegründet vom langhaarigen und langbärtigen Florian Berndl, einem leidenschaftlichen Naturheilkundler und Freikörperkultur-Fan. Im Jahr 1900 luchst er der Donauregulierungskommission bei Kaisermühlen einen Pachtvertrag ab. Um 15 Gulden jährlich ist er Herrscher über rund 5000 m2 Grund, eine verwilderte, verwunschen wirkende Insel in der Alten Donau, die zur Gänsezucht benutzt wird, den Gänsehaufen.

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