„Mir tun alle leid, die nicht in Bullerbü leben“: Lindgrens Erzählerin Lisa mit Inga, Britta, Lasse, Bosse und Ole in der schwedischen Verfilmung von 1986.
75 Jahre

Bullerbü läuft uns davon

Lindgrens Idylle prägte das Bild der paradiesischen Kindheit wie kein Buch seitdem, heute entgleitet sie uns: Es ist keine Zeit für heile Welten.

„Jeder lebte schon immer im Paradies, hat es nur nicht gewusst“: So kommentierte Janosch einmal sein berühmtes Kinderbuch „Oh, wie schön ist Panama“. Da ziehen Bär und Tiger aus, um ihr Traumland Panama zu finden. Nur um am Ende wieder bei sich zu Hause anzulangen und zu merken: Sie waren ja schon immer am schönsten Ort der Welt.

„Mir tun alle leid, die nicht in Bullerbü leben“, sagt Inga in einem von Astrid Lindgrens drei Bullerbü-Bänden. Die Kinder darin müssen nicht suchen, sie sind von Anfang an im Paradies – und wissen es auch. Ein winziges Dorf, drei Bauernhöfe, sechs Kinder: Lisa, Inga, Britta, Lasse, Bosse, Ole. Im Hintergrund arbeiten Eltern ruhig im Haus und auf dem Feld, immer liebevoll, wenn man sie doch einmal braucht. Und die Kinder brauchen nur eins zu tun: barfuß draußen spielen, Gänge durchs Heu graben, auf Zäunen balancieren, eine Rattenfarm anlegen, ein Lämmchen füttern. Wunderbare kleine Besonderheiten in einem vom Rhythmus der Jahreszeiten, wiederkehrenden Arbeiten und Festen bestimmten Leben. Diese perfekte Balance von Natur und Zivilisation, Freiheit und Geborgenheit wird uns von der siebenjährigen Lisa vorgestellt, als wäre all das gerade jetzt vor unserer Nase: „Stellt euch mal vor . . .“, heißt es da immer wieder, und „Nein, war das schön!“, kurz: „Oh, wie haben wir es schön in Bullerbü!“

Es hilft aber alles nichts. Sie gleitet uns davon, diese Lisa mit ihrem „Lärmdorf“ (das heißt Bullerbü wörtlich), die zum ersten Mal vor 75 Jahren, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, hinter Buchdeckeln zum Vorschein gekommen ist. Es ist nicht nur der Stil. Es ist auch die heile Welt, die uns entgleitet.

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