Beitrittsverhandlungen

Nordmazedoniens Parlament stimmt Kompromissvorschlag der EU zu

Das Parlament Nordmazedoniens stimmt nach dreitägiger Debatte einem Kompromissvorschlag der EU zu. Die Hoffnung auf einen Start der Beitrittsverhandlungen mit der EU sind groß, die Zugeständnisse an das blockierende Bulgarien auch.

Nordmazedoniens Parlament hat am Samstag im Streit mit dem Nachbarland Bulgarien einem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Kompromissvorschlag für EU-Beitrittsgespräche zugestimmt. Dies nährt Hoffnugen der EU-Kommission auf einen Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien sowie mit Albanien, den Bulgarien bisher durch ein Veto blockiert. Ob Sofia dem Kompromiss zustimmt, war zunächst unklar, zumal es dort aktuell eine Regierungskrise gibt.

Die Anträge Albaniens und Nordmazedoniens werden von der EU-Kommission gemeinsam behandelt. Die Entscheidung der Volksvertretung in Skopje erfolgte ohne Gegenstimmen - allerdings in Abwesenheit der nationalistischen Partei VMRO-DPMNE, deren Abgeordnete aus Protest den Saal verlassen hatten. Nach einer drei Tage dauernden heftigen Debatte, die immer wieder durch "Vuvuzelas" gestört wurde, beauftragte das nordmazedonische Parlament die Regierung von Ministerpräsident Dimitar Kovacevski am Samstag, den französischen Kompromissvorschlag anzunehmen, der die Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Brüssel ermöglichen soll. Die Regierung erhielt dafür die Unterstützung von 68 von 120 Abgeordneten aus den Reihen der regierenden Sozialdemokraten (SDSM) und der mitregierenden albanischen DUI-Partei sowie anderen Parteien der albanischen Volksgruppe.

Oppositionsparteien abwesend

Die Abgeordneten der führenden Oppositionskraft, der nationalkonservativen VMRO-DPMNE, aber auch der Linken verließen das Parlament vor der Abstimmung. In den vergangenen drei Tagen sorgten vor allem die Abgeordneten der VMRO-DPMNE mit Vuvuzelas und Zwischenrufen dafür, dass die Reden von Abgeordneten der Regierungskoalition immer wieder übertönt wurden. Die nationalistische Opposition, aber auch liberale Kritiker befürchten, dass der Kompromiss Bulgarien weiter ermöglicht, den Fortgang der Beitrittsverhandlungen zu blockieren.

Die Opposition hält den französischen Vorschlag für schädlich und spricht von drohender "Bulgarisierung" Nordmazedoniens. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, die Rechte der bulgarischen Minderheit im Balkanland durch die Verfassung schützen zu lassen. Für die Verfassungsänderung ist im Parlament allerdings eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Vor dem Parlament von Skopje kommt es seit Tagen zu Kundgebungen gegen eine Annahme des Kompromisses.

Bilateraler Konflikt um Sprache und Geschichte

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen trat diesen Bedenken entgegen. Der Vorschlag erkenne die mazedonische Sprache ohne Einschränkungen an, sagte sie vergangene Woche. "Bilaterale Angelegenheiten wie die Interpretation der Geschichte sind keine Bedingungen der Beitrittsgespräche."

Von der Leyen und der Präsident des Europäischen Rats, Charles Michel, gratulierten daher am Samstag per Twitter zu der Entscheidung in Skopje. "Dies war eine historische Chance" schrieb von der Leyen. "Dies ist ein großer Schritt auf Ihrem Weg in eine europäische Zukunft." Michel fügte hinzu: "Unsere Zukunft ist gemeinsam und wir heißen Sie mit offenen Armen willkommen."

Die USA begrüßten die Parlamentsentscheidung ebenfalls: "Das ist ein entscheidender Moment für Europa", erklärte Außenminister Antony Blinken auf Twitter. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte Nordmazedonien und Albanien per Twitter: "Wir wollen, dass Ihr Mitglieder der Europäischen Union werdet und begleiten Euch auf diesem Weg."

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gratulierte über Twitter zum Ausgang der Abstimmung. In einem englischsprachigen Tweet sprach er "Meilenstein" auf dem "EU-Weg." Alle Länder des Westbalkans würden eine glaubwürdige EU-Perspektive verdienen, schrieb Nehammer weiter. Ähnlich äußerte sich das Außenministerium. Die EU sei ohne die #WesternBalkans nicht vollständig, hieß es in einem Tweet.

Andreas Schieder, SPÖ-Delegationsleiter und Vorsitzender der Nordmazedonien-Delegation im EU-Parlament, ließ per Aussendung wissen: "Mit der heutigen Abstimmung rücken wir einem EU-Beitritt von Nordmazedonien ein Stück näher und können somit hoffentlich bald mit den Beitrittsverhandlungen beginnen - die erste Hürde ist genommen."

Schieder wies aber auch auf die Schattenseiten des Vorschlags hin: "Wir dürfen nicht vergessen, dass Nordmazedonien hier große Zugeständnisse macht. Der Kompromiss, der jetzt auf dem Tisch liegt, kommt den bulgarischen Forderungen deutlich näher als den nordmazedonischen - ein erneuter Beweis, wie weit Nordmazedonien bereit ist zu gehen, um EU-Mitglied zu werden und sich der europäischen Idee zu verpflichten. Das wissen wir allerdings nicht erst seit gestern - das Prespa-Abkommen mit Griechenland und die damit einhergehende Namensänderung war bereits ein historisches Zugeständnis. Umso mehr müssen diese Bemühungen jetzt belohnt werden! Wichtig ist jetzt, dass jetzt alle politischen Kräfte im nordmazedonischen Parlament an einem Strang ziehen und durch ihre Zusammenarbeit den Weg für einen Verhandlungsbeginn freimachen."

12-jährige Wartefrist

Nordmazedonien wartet seit 2008 auf den Beginn von Beitrittsgesprächen mit der EU. Zuletzt hatte das Nachbarland und EU-Mitglied Bulgarien dies blockiert. Es wollte Nordmazedonien Zugeständnisse in Minderheiten-, Geschichtsdeutungs- und Sprachfragen abringen. Die französische EU-Ratspräsidentschaft erarbeitete einen Kompromissvorschlag, dem auch das bulgarische Parlament zustimmte. Zuvor war der Staatsnamen von Mazedonien auf Nordmazedonien geändert worden, um Griechenland zu besänftigen.

(APA)

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