Mit Federn, Haut und Haar

Unser flexibles Gehirn: Wie die menschliche Vielfalt entsteht

Das Wort revolutionierte die Evolution, ermöglicht das differenzierteste Emotions- und Geistesleben aller Tiere. Unser Gehirn legte in den letzten 300.000 Jahren aber auch stark an Störungsanfälligkeit zu.

Vor zwei Wochen begründete ich die menschliche Widersprüchlichkeit über die Evolution unseres Gehirns. Dennoch sind wir als Individuen über Gene und Gehirn nicht auf triviale Weise „biologisch fremdgesteuert“. An der Entstehung einer unglaublichen Vielfalt an Persönlichkeiten, Einstellungen und Verhaltensneigungen mischen nicht nur die Gene und ihre Beeinflussung durch den Lebensstil unserer Eltern mit. Wie wir in die Welt gehen, offen oder ängstlich, vertrauensvoll oder reserviert (etc.), hängt vor allem von der Qualität der Frühbetreuung ab und von unseren sozialen und gesellschaftlichen Einbettungen – und zwar lebenslang. Dieses komplexe Zusammenwirken der genetischen, epigenetischen, sozialen und gesellschaftlichen Faktoren in der Individualentwicklung begründet eine gar nicht zufällige Vielfalt an Verhalten und an Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens. Diese Mechanismen erklären auch das scheinbare Paradox, dass die heute fast acht Milliarden Menschen auf der Welt viel mehr miteinander gemeinsam haben, als sie kulturell zu trennen vermag, dass sie aber dennoch ebenso viele unverwechselbare Individuen bleiben – Einheit in Vielfalt, sozusagen.

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So bedeutet die biologische Natur des menschlichen Wesens eine unglaubliche, wenn auch nicht zufällige Anpassungsfähigkeit an die Lebensumstände. Babys etwa reagieren mental in ganz bestimmter Weise auf die soziale Qualität ihrer Betreuung (weswegen ein Betreuungsverhältnis von 1:12, wie in heimischen Kinderkrippen üblich, einem Verbrechen gleichkommt; State of the Art wäre höchstens 1:4). Dieses frühe soziale Umfeld prägt die lebenslangen sozialen Erwartungshaltungen, Selbstwert, Vertrauensfähigkeit, explorative Neugierde etc. Ein weiteres Beispiel wäre die Geburtsreihenfolge, von der es abhängt, ob sich Kinder zu braven Alliierten von Eltern und Gesellschaft entwickeln, oder zu kreativen Neuerern. Tatsächlich geben sich Geschwister regelhaft unähnlicher, als es aufgrund ihrer Gene zu erwarten wäre. Diese Beispiele stehen für eine große Anzahl von evolutionär angelegten „sozialen Schaltern“, welche die kontextabhängige Flexibilität in Verhalten und sozial-gesellschaftlicher Organisation von Menschen begründen.

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