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Regierungskrise in Italien: Lega und Berlusconi für Neuwahlen

In welche Richtung geht es mit der italienischen Regierung weiter?
In welche Richtung geht es mit der italienischen Regierung weiter? (c) Reuters
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Einer aktuellen Umfrage zufolge lehnen die Italiener vorgezogene Parlamentswahlen ab. 51 Prozent der Befragten sind für einen Amtsverbleib von Premier Mario Draghi.

In Italien haben die Koalitionspartner am Sonntag ihre Beratungen für eine mögliche Mehrheit der Regierung von Premier Mario Draghi fortgesetzt. Während sich die Sozialdemokraten und die Fraktion um Außenminister Luigi Di Maio klar für Draghis Amtsverbleib aussprechen, scheinen die Rechtsparteien Lega und Forza Italia Neuwahlen im Herbst nicht zu fürchten. Die Fünf Sterne-Bewegung verlangt von Draghi Zugeständnisse für den Verbleib in der Mehrparteienkoalition.

Forza Italia-Chef Silvio Berlusconi traf am Sonntag den Lega-Vorsitzenden Matteo Salvini auf Sardinien, wo sie die politische Lage besprachen. Der Zusammenhalt in der Mehrparteienkoalition um Premier Mario Draghi sei in die Brüche gegangen, stellten die beiden Parteichefs fest. Jetzt gelte es, die Entwicklungen abzuwarten und sich in jedem Fall, auch kurzfristig, auf Neuwahlen vorzubereiten, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Parteichefs am Sonntagabend. Weiter mit der linkspopulistischen Fünf Sterne-Bewegung, die am Donnerstag die Regierungskrise ausgelöst hat, zu regieren, sei aufgrund ihrer "Inkompetenz und Unzuverlässigkeit" ausgeschlossen.

Warnung vor dem Stillstand

Außenminister Di Maio warnte vor der Gefahr von Neuwahlen in Italien, sollte es zu keiner Einigung mit den Fünf Sternen kommen. "Wenn es so weitergeht wie bisher, wird Draghi am Mittwoch vor dem Parlament zurücktreten. Und zwischen Donnerstag und Freitag wird der Präsident der Republik, Sergio Mattarella, die Kammern auflösen", sagte Di Maio. Die Gefahr sei, dass für Italien wichtige Reformen zum Stillstand kämen.

"Auch wenn Ende September gewählt würde, bräuchte es drei Wochen, um die Parlamentskammern und mindestens weitere zwei Wochen, um die Regierung zu bilden", warnte der frühere Chef der mitregierenden Fünf-Sterne-Bewegung. Laut Di Maio könnte das Land in der Zeit der Regierungsbildung keine Gesetze und nicht den Haushalt auf den Weg bringen. Auch die wichtigen EU-Milliarden für den Corona-Wiederaufbaufonds stünden auf der Kippe. Italien muss dafür nämlich zunächst vorgegebene Ziele in Form von Reformen umsetzen.

Innerhalb der Fünf Sterne scheiden sich indes die Geister: Ein Flügel um Parteichef Giuseppe Conte drängt auf einen Austritt aus der Regierungskoalition, was zu Neuwahlen am 25. September, oder am 2. Oktober führen würde. Ein gemäßigterer Flügel um den Minister für die Beziehungen zum Parlament, Federico D ́Incá, bemüht sich um einen Verbleib der "Cinque Stelle" in der Koalition. Ein Regierungssturz würde den Reformprozess zum Stillstand führen, argumentiert D'Incà.

Italiener lehnen Neuwahlen ab

Laut einer Umfrage vom Samstag sind die Italiener mehrheitlich gegen vorgezogene Parlamentswahlen. Die römische Tageszeitung "La Repubblica" berichtete, dass sich 53 Prozent der Italiener gegen Neuwahlen im Herbst aussprechen. Laut der vom Meinungsforschungsinstitut Izi Spa durchgeführten Enquete sind 51 Prozent der Befragten für einen Amtsverbleib von Premier Mario Draghi mit einer anderen Koalition als der aktuellen.

55,5 Prozent sind der Meinung, dass im Fall eines Rücktritts Draghis eine Expertenregierung eingesetzt werden sollte, die Italien bis Ende der Legislatur im Frühjahr 2023 führen sollte. "Die Mehrheit der Italiener ist der Meinung, dass die Parteien nicht in der Lage sein werden, einen neuen Premier auf Draghis Niveau zu finden", hieß es in dem Bericht.

(APA/Red. )

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