Prozesstag 4

Strache-Prozess: "Dass man dem Parteichef zuhört, ist normal"

Heinz-Christian Strache steht wieder vor Gericht
Heinz-Christian Strache steht wieder vor Gericht(c) Roland Schlager, APA
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Eine Sekretärin, die auf eigene Faust Konten aussucht, und ein Ex-Generalsekretär, der über Wünsche Auskunft gibt, sagten heute als Zeugen im Bestechlichkeitsprozess gegen Ex-FPÖ-Chef Strache aus.

Tag Nummer vier im Bestechlichkeits- und Bestechungsprozess um Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und den mit ihm befreundeten Immobilienunternehmer Siegfried Stieglitz begann mit einer Überraschung. Nämlich dem konkreten Fahrplan, zu dem sich Richterin Mona Zink bis zuletzt bedeckt gehalten hatte. Erst während der Verhandlung verriet sie, dass zwei Zeugen befragt, Ergänzungsfragen an die beiden Angeklagten gestellt und Verlesungen stattfinden würden. Alles freilich bei aufrechter Unschuldsvermutung.

In der Praxis gestaltete sich das folgendermaßen: Zuerst wurde N., eine Sekretärin von Stieglitz, in den Zeugenstand gerufen. Sie arbeite seit 2002 für den Oberösterreicher, mache „alles, was mit Computern zu tun hat“, wobei man sich äußert selten sehe, wie sie zu Protokoll gab. „Ich bin in Salzburg, er in Wien, wir haben meistens telefonischen Kontakt.“ Per Handy weise er sie so auch an, Überweisungen zu tätigen – berufliche wie private. Gebe es eine Rechnungsnummer, trage sie diese als Verwendungszweck ein, gebe es keine, schreibe sie „wie vereinbart“ hinein. Warum? „Ich habe das so entscheiden, es so zu machen“, sagte die Zeugin. „War das nie Thema, dass das vielleicht nicht schlau ist?“, konterte die Richterin. „Es hat in der ganzen Zeit noch nie eine Beanstandung gegeben.“

So war es auch N., die Überweisungen von Stieglitz‘ Konten an den FPÖ-nahen Verein „Austria in Motion“ veranlasst hat – die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermutet dahinter Schmiergeld für einen Aufsichtsratsposten bei der Asfinag, den Stieglitz 2018 erhielt. Wie N. vorgegangen sei? Stieglitz habe den Freiheitlichen im Nationalratswahlkampf 2017 – in dessen Folge die türkis-blaue Koalition zustande kam – einen Bus zur Verfügung gestellt, die Rechnung dafür habe 10.000 Euro betragen, so die Zeugin. Stieglitz habe ihr dann gesagt, den Betrag als Spende an den Verein zu überweisen – und zwar gestückelt und zeitversetzt. Sie habe das getan und als Zweck „wie vereinbart“ geschrieben. Auf eigene Faust habe sie außerdem entschieden, das Geld von verschiedenen Konten aus zu überweisen.

Derart selbstständig arbeitete sie aber nicht immer, wie Oberstaatsanwältin Silvia Thaller sodann herausfand. N. bestätigte ihr, dass sie nicht nur Sekretärin sei, sondern auch im Vorstand von Stieglitz‘ Privatstiftung sitze und Geschäftsführerin von drei seiner Gesellschaften sei. Was sie da tue? Wenn er sage, sie solle etwas unterschreiben, dann unterschreibe sie, schilderte die Zeugin.

Wer darf sich etwas wünschen?

Nach N. wurde Andreas Reichhardt in den Zeugenstand gerufen. Er war Generalsekretär im Infrastrukturministerium von Norbert Hofer (FPÖ), als Letzterer Stieglitz zum Asfinag-Aufsichtsrat machte – und sitzt seit 2018 selbst im Aufsichtsrat der Asfinag und der ÖBB Holding; nach dem Ende von Türkis-Blau agierte er von Juni 2019 bis Jänner 2020 als Verkehrsminister. Zu den damaligen Vorgängen meinte Reichhardt am Dienstag, er habe mitbekommen, dass Stieglitz in einen bzw. langfristig in mehrere Aufsichtsräte kommen wollte. „Es hat im Lauf der Zeit mehrere Ideen und Wünsche gegeben“ und das sei auch legitim gewesen, so der Zeuge. Geworden sei es dann aber nur ein Posten, jener bei der Asfinag.

Dort habe sich der Unternehmer auch gut angestellt, führte Reichhardt aus: „Er war vom Engagement her tadellos, meiner Wahrnehmung nach.“ Ob Strache, mit dem Reichhardt nach eigenen Angaben eine langjährige Freundschaft verbindet, je an ihn herangetreten sei und ihn gebeten habe, Stieglitz zu unterstützen? „Es war ein grundsätzlicher Wunsch da, Stieglitz zu unterstützen“, und zwar dort, wo es Sinn mache, antwortete Reichhardt. Aber: „Es war nie ein Druck da.“ Ob es typisch sei, dass ein Parteichef Wünsche äußere? Natürlich, so der Zeuge, der nach wie vor politisch tätig ist („seit gestern im Finanzministerium“). Konkret: „Wenn das Wort eines Parteichefs einmal nicht mehr Gewicht hat, dann hat der Parteichef ein Problem. Es gibt keinen Automatismus, dass man Folge leistet, aber dass man ihm zuhört, ist ganz normal.“

Ganz normal auch, dass die Richterin konkrete Pläne hat, die sie am Nachmittag auch öffentlich teilte: Am Donnerstag wird der Prozess um 9:30 Uhr fortgesetzt, vier Zeugen sollen befragt werden. Nächste Woche finden am Dienstag zwei weitere Einvernahmen statt, bevor am Freitag, 29. Juli, das Urteil fallen soll. Ebenfalls unstrittig: Die „Presse“ wird live berichten.

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