Regierungskrise

Bleibt Draghi doch? Italiens Premier stellt sich einem Vertrauensvotum

Wer wird künftig hier, im Quirinalspalast in Rom, das Amt des italienischen Premierministers ausüben?
Wer wird künftig hier, im Quirinalspalast in Rom, das Amt des italienischen Premierministers ausüben?REUTERS
  • Drucken

Ex-Premier Matteo Renzi hat 80.000 Unterschriften für den Verbleib Draghis als Regierungschef gesammelt. Nur die Rechtsparteien wittern ihre Chance in einer Neuwahl.

Der italienische Premier Mario Draghi, der am Mittwoch dem Parlament über die Regierungskrise in Rom berichten wird, wird sich nach seiner Ansprache vor Abgeordnetenkammer und Senat einer Vertrauensabstimmung unterziehen. Dies teilte der Präsident der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, am Montag mit. Es könnte mit Draghi als Regierungschef weitergehen oder es kommt zu vorgezogenen Wahlen.

Auslöser der politischen Krise war die Enthaltung der Fünf-Sterne-Bewegung bei einem Vertrauensvotum am Donnerstag im Senat. Die Fünf Sterne sind die stärkste Einzelpartei im italienischen Parlament. Draghi reiste am Montag nach Algerien, wo er Energieverträge unterzeichnen wird. Die ursprünglich zweitägige Reise wurde wegen der Regierungskrise auf einen Tag reduziert, teilte Draghis Büro mit.

Petition für Draghis Verbleib

In Italien mehren sich Unterschriftensammlungen und Aufrufe an den Premier, im Amt zu bleiben. Italiens Ex-Premier Matteo Renzi hat mit seiner Petition für den Amtsverbleib Draghis in drei Tagen 80.000 Unterschriften gesammelt. Sein Ziel sei es, bis Mittwoch 100.000 Unterschriften zu erreichen, erklärte er im Interview mit der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" (Montagsausgabe).

"Die Petition hat einen enormen Erfolg geerntet. Wir haben 80.000 Unterschriften erreicht, ein Resultat, das mir am Anfang unmöglich schien", so Renzi. Der 47-jährige Chef der mitregierenden Kleinpartei "Italia Viva", ist bereit, eine zweite Regierung um Premier Draghi zu unterstützen."Sollte Draghi nicht weitermachen wollen - und das würde mir sehr leid tun - muss es zu sofortigen Parlamentswahlen kommen. Am 25. September oder am 2. Oktober", sagte Renzi.

Einen Appell an Draghi richteten auch mehrere katholische Verbände, der Umweltschutzverband Legambiente und die Vereinigung der Universitätsrektoren. Draghis Verbleib sei notwendig, um die eingeleiteten Reformen umzusetzen, die mit dem EU-Wiederaufbauprogramm finanziert werden. Auch über 1000 italienische Bürgermeister unterzeichneten eine Petition an Draghi, um ihn zum Verzicht auf den Rücktritt aufzurufen.

Rechtsparteien wollen Neuwahl

Die oppositionelle Rechtskraft "Fratelli d ́Italia"(FdI - Brüder Italiens) um die Rechtspopulistin Giorgia Meloni kritisierte die Appelle für Draghis Amtsverbleib und forderte Neuwahlen im Herbst. "Aus Angst vor einer Niederlage ist die Linke bereit, alles zu tun, um Neuwahlen zu verhindern. Die Mitte-links-Parteien können weglaufen, so viel sie wollen, bald wird der Tag kommen, an dem sie sich dem Urteil der Italiener stellenmüssen", so Meloni auf Facebook.

Auch die rechtsorientierten Parteien Lega und Forza Italia scheinen Neuwahlen nicht zu fürchten. Forza Italia-Chef Silvio Berlusconi traf am Sonntagnachmittag den Lega-Vorsitzenden Matteo Salvini auf Sardinien, wo sie die politische Lage besprachen. Der Zusammenhalt in der Mehrparteienkoalition um Premier Draghi sei in die Brüche gegangen, stellten die beiden Parteichefs fest. Jetzt gelte es, die Entwicklungen abzuwarten und sich in jedem Fall, auch kurzfristig, auf Neuwahlen vorzubereiten, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Parteichefs am Sonntagabend. Weiter mit der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung zu regieren, sei aufgrund ihrer "Inkompetenz und Unzuverlässigkeit" ausgeschlossen.

Fünf Sterne suchen nach Strategie

Die Fünf Sterne, die am Donnerstag eine Regierungskrise ausgelöst hatten, nehmen sich Zeit, um Stellung zur Zukunft der Mehrparteienkoalition zu beziehen. Ein Treffen des Parteigremiums ist am Montagnachmittag geplant. In der Bewegung scheiden sich die Geister: Ein Flügel um Parteichef Giuseppe Conte drängt auf einen Austritt aus der Regierungskoalition, was zu Neuwahlen führen würde. Ein gemäßigterer Flügel um den Minister für die Beziehungen zum Parlament, Federico D ́Incá, bemüht sich um einen Verbleib der "Cinque Stelle" in der Koalition. Ein Regierungssturz würde den Reformprozess zum Stillstand bringen, argumentiert D'Incà.

Parteichef Conte fordert von Draghi Garantien, dass die Regierung politische Prioritäten der Bewegung wie einen Mindestlohn und den Erhalt des "Reddito di cittadinanza", einer Art Grundeinkommen für Menschen unterhalb der Armutsgrenze, im kommenden Jahr durchsetzen werde. Conte verlangt die Umsetzung eines Neun-Punkte-Programms, das die Gruppierung dem Premier bereits vor einigen Wochen vorgelegt hatte, als Bedingung für ihren Verbleib in der Mehrparteienkoalition.

(APA/TTKOMP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Regierungskrise

Italien blickte in der Krise gebannt nach Algier

Premier Draghi betrieb bei seinem Trip nach Algerien Business as usual: die Sicherung der Energieversorgung für den Winter. Auch wenn er dann womöglich nicht mehr im Amt sein könnte.
In welche Richtung geht es mit der italienischen Regierung weiter?
Verhandlungspoker

Regierungskrise in Italien: Lega und Berlusconi für Neuwahlen

Einer aktuellen Umfrage zufolge lehnen die Italiener vorgezogene Parlamentswahlen ab. 51 Prozent der Befragten sind für einen Amtsverbleib von Premier Mario Draghi.
Das Zentrum des Krisengeschehens: Palazzo Chigi, Sitz des Regierungschefs in Rom.
Regierungskrise

Italiener flehen Draghi an, nicht zu kündigen

Bürgermeister, Industrielle, Gewerkschafter und Parteien sammeln Unterschriften und appellieren an den Premier, am Mittwoch nicht zurückzutreten. Doch derzeit stehen die Zeichen auf Wahlen im Herbst.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.