Gewaltprävention

„Was sollen Ihre Kinder über Sie denken?"

Aggressive Männer müssen nach Wegweisungen Beratungsgespräche führen. Diese Maßnahme wurde mit Jahresmitte ausgebaut. Präventionsexperten begrüßen dies.

Mit einem Schutzpaket will die Regierung das traurige Dauerthema „Gewalt gegen Frauen“ in den Griff bekommen. Eine der Maßnahmen besteht aus verpflichtender Gewaltprävention in Form von Gesprächen. Personen – fast immer Männer, die wegen häuslicher Gewalt der Polizei gemeldet werden und die Wohnung vorübergehend nicht mehr betreten dürfen, müssen sich diesen Gesprächen stellen. Seit Jahresmitte können auch Gerichte zu dieser Maßnahme verpflichten.

Diese Entwicklung ist bedingt durch die alarmierend hohe Zahl an Gewalttaten gegen Frauen. 2018 ging als Horrorjahr in die Kriminalstatistik ein. 41 Frauenmorde wurden gezählt. Ein Jahr später waren es 39. 2020 zählte man 31, im Vorjahr dann 29 weibliche Todesopfer. Auch heuer kamen bereits mehrere Frauen zu Tode oder trugen durch tätliche Angriffe schwere Verletzungen davon.

An den Gerichten wird – wie erst vorige Woche („Die Presse“ berichtete) – diese Art der Kriminalität bereits als regelmäßig auftretendes Phänomen gesehen. Im Prozess gegen einen Mann, der versucht hat seine Frau zu erstechen, hatte die Staatsanwältin gesagt: „Es handelt sich um einen der vielen Beziehungstäter.“ Und: „Wieder einmal ist ein Ehemann auf seine Ehefrau losgegangen.“

25 Millionen Euro für Gewaltschutz wurde voriges Jahr budgetiert. Eine viel zu geringe Summe, wenn es etwa nach dem Österreichischen Frauenring geht, der zuletzt 228 Millionen Euro jährlich gefordert hatte. Tatsache ist, dass die Zahl der Betretungs- und Annäherungsverbote von 8748 im Jahr 2019 auf 13.542 im Vorjahr gestiegen ist. Die Tendenz ist weiter steigend.

„Mehr als 7000 Beratungen“

So erklärte der Geschäftsführer des Bewährungshilfe-Vereins „Neustart“, Christoph Koss: „Wir haben in den vergangenen Monaten im Auftrag des Innenministeriums bereits mehr als 7000 Beratungen durchgeführt. Diese Erfahrung lassen wir in die neue Maßnahme einfließen.“ Mit „neuer Maßnahme“ meint Koss, dass nun eben auch die Justiz Gewaltpräventions-Beratungen verpflichtend anordnen kann. Zur Erklärung: „Neustart“ ist für die Abwicklung dieser Beratungsgespräche in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und dem Burgenland zuständig.

Worin liegt der Unterschied zwischen Beratungsgesprächen nach einem Polizeieinsatz und und den Gesprächen, die den Tätern nunmehr auch seitens der Justiz auferlegt werden können? Die Polizei ist jene Stelle, die im Rahmen ihres Einsatzes über den Gefährder ein Betretungs- und Annäherungsverbot verhängen kann. Der als aggressiv gemeldete Mann darf dann für (vorerst) zwei Wochen die gemeinsame Wohnung nicht aufsuchen. Und er muss mindestens hundert Meter Abstand zu den Opfern halten. Wurden derartige Verbote ausgesprochen, so sind Beratungsgespräche seit September 20121 gesetzlich verpflichtend vorgeschrieben.

Bis Anfang des Monats schlüpften aber einige Gefährder durch das Sicherheitsnetz. Denn es gibt ja auch Fälle, in denen nicht unbedingt gleich ein polizeiliches Betretungsverbot verhängt wird. Insofern bestand eine Lücke. Diese wurde mit 1. Juli geschlossen. Wenn nun eine Frau bei Gericht eine einstweilige Verfügung gegen den Mann erwirkt (etwa die Verfügung, sich eine bestimmte Zeit von der gemeinsamen Wohnung fern zu halten), dann kann das Gericht zusätzlich Gewaltprävention anordnen – Prävention in Form von Beratungsgesprächen.

Wie laufen diese ab? In der Regel ergibt sich für die durchführende Stelle aus dem Akt die Telefonnummer des Mannes. Diesem wird dann per SMS mitgeteilt, dass er sich binnen fünf Tagen zu melden hat bzw. einen ersten Termin für die Beratung ausmachen muss. Dieser Termin wird innerhalb von 14 Tagen ab Kontaktaufnahme anberaumt. Die verpflichtende Beratungsdauer beträgt sechs Stunden. Eine gängige Lösung besteht darin, dass man drei Beratungs-Doppelstunden vereinbart. Kommt der Gefährder nicht zu den Terminen, wird umgehend die Polizei verständigt.

Polizei nimmt Schlüssel ab

Bei „Neustart“ heißt es, man habe die Erfahrung gemacht, dass die Männer die Beratungen ernst nehmen. Während des zweiwöchigen Betretungsverbots kommen die meisten übrigens bei den Eltern oder bei Bekannten unter (vielfach wird ihnen von der Polizei der Wohnungsschlüssel abgenommen).

„In sechs Stunden ist eine Verhaltensänderung nicht möglich“, meinte zuletzt die Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Oberösterreich, Eva Schuh. Aber man könne darauf hinarbeiten, dass ein Gefährder eine längere Beratung in Anspruch nehme.

Eben dies passiert auch. Man rede den Männern ins Gewissen, heißt es bei „Neustart“. Etwa so: „Was meinen Sie, wie Ihre Kinder einmal über ihren Vater denken?“ Man mache deutlich, dass Gewalt kein Problem löse – und vermittle die Gefährder nach der Pflicht-Beratung gegebenenfalls an andere Organisationen weiter.

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