Grätzelwalk

Meidlinger (Dis-)Harmonien

Nikola Djoric auf der Gloriette.
Nikola Djoric auf der Gloriette.Christopher Dickie
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Mit dem Akkordeonisten Nikola Djoric unterwegs durch „sein“ Meidling: Zwischen Biofisch-Heurigem und „Hagia Sophia“, Skandal-Hausabbruch und der Pracht von Schönbrunn.

Anno 1777 wurde die Gloriette erbaut, 1829 das Akkordeon erfunden (in Wien natürlich), und 1894 benannte man die Hohenbergstraße, die direttissimo auf die Gloriette zuläuft, nach ihrem Architekten: Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg.

Was Nikola Djoric damit zu tun hat? Der Akkordeonist – „ich bin quasi mit dem Instrument aufgewachsen“ – ist ein großer Schönbrunn-Fan. „Der Park, der Wald, die Gloriette, besser geht's nicht. Zum Spazieren, zum Laufen, zum Kaffeetrinken, ich bin oft hier. Man spürt die Jahreszeiten, sieht die Tiere im Wald.“ Da er seit Jahren in Meidling wohnt, geht er des Öfteren die Hohenbergstraße entlang nach Hietzing. Heute mit uns.

Schönbrunn: Beliebt bei Touristen und Wienern.
Schönbrunn: Beliebt bei Touristen und Wienern.(c) Christopher Dickie

Dissonanzen im Idyll

Die kleinen Lokale am Weg sind gut besucht, etwa das Hohenbergstüberl: vom Motorrad- bis zum Rollstuhlfahrer sitzt man vereint im Schatten. Vom nahen Schlosspark verirren sich nur selten Touristen hierher, dabei ist das Maria-Theresia-Tor keine 100 Meter entfernt.

Viel zu sehen gibt es in der Straße ja nicht, oder doch? Schon: links die 1906 erbaute Meidlinger Kaserne, rechts die Kirche am Gatterhölzl – was von Weitem wie eine Moschee aussieht, ist die 1959 von Ladislaus Hruska entworfene katholische Kirche, die „Hagia Sophia“ von Meidling, deren Architektur nachempfunden wurde.

Die "Hagia Sophia" von Meidling.
Die "Hagia Sophia" von Meidling.(c) Christopher Dickie
Gemeindebauten in der Hohenbergstraße
Gemeindebauten in der Hohenbergstraße(c) Christopher Dickie

Dazu säumen zahlreiche Gemeindebauten den Weg, 1927–30 von Camillo Discher und Karl Dirnhuber entworfen. Und auch ein paar Zinshauser. Wovon eines ein großes Loch im ersten Stock aufweist: Das Dach fehlt. „Im Juni war das eine Baustelle und eingerüstet“, erzählt Djoric. „Dann stand plötzlich ein Bagger da.“ Recherchen zeigen: Das bis vor Kurzem intakte Haus Hohenbergstraße18 wird wegen „wirtschaftlicher Abbruchreife“ abgerissen – und sorgt für Diskussionen um das Wiener Baurecht.

Im Juni noch mit Dach und intakter Fassade, im Juli Abbruch wegen "wirtschaftlicher Abbruchreife: Hohenbergstaße 18
Im Juni noch mit Dach und intakter Fassade, im Juli Abbruch wegen "wirtschaftlicher Abbruchreife: Hohenbergstaße 18(c) Christopher Dickie

Harmoniefremde Töne begleiten uns weiter, etwa in der Oswaldstraße 1: Heute das empfehlenswerte Lokal Kaffee und Kornetto; hier befand sich jedoch der Eissalon, in dessen Keller 2011 zwei Männerleichen entdeckt wurden, ermordet von der Besitzerin. Weniger abgründig, aber bedauerlich: Die Pizzeria Chaplin gegenüber „war vor Corona ein beliebter Treffpunkt“, so Djoric, „jetzt steht sie leider leer“. Zu finden ist er daher etwa im Biofisch-Heurigen in der Hetzendorfer Straße, „mit extrem feiner Auswahl“, oder im Kabelwerk. Wobei er als Musiker viel unterwegs ist: heuer etwa in Luxemburg, Hamburg, Graz – und derzeit am Semmering auf der Südbahnbühne, „Zuhause bin ich aber ganz hier, in Meidling.“

ZUM ORT, ZUR PERSON

Murlingen hieß das Dorf Meidling um 1146, der Bau von Schloss Schönbrunnum 1700 förderte die Entwicklung, 1892 wurde es mit anderen Dörfern als zwölfter Wiener Bezirk eingemeindet. Eigentumswohnungen in guter Lage kosten rund 5207 (Bestand) bzw. 5480 Euro/m2(neu), Miete (neu) rund 13,04 Euro/m2.

Nikola Djoric ist als Akkordeonist in Wein tätig, im September spielt er bei den Serenadenkonzerten im Schloss Atzenbrugg in NÖ. www.serenadenkonzerte.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2022)

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