Mein Freitag

Gewinner wechseln auf die Verliererseite

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Es schwebt eine Art Unwirklichkeit über diesen Wochen. Als ob die Abrechnung nicht kommen würde.

Die Schattenseite hat in diesen heißen Tagen eine andere Bedeutung bekommen. Sie hat dem Platz an der Sonne den Rang abgelaufen, den Verlierer zum Gewinner gemacht. Die Schattendörfer und Schattwälder des Landes, die dunklen, sonnabgewandten, benachteiligten Flecken, sie werden nun gesucht und nicht mehr gemieden. Man wechselt freiwillig auf die dunkle Seite der Straße und geht im Gänsemarsch hinter den anderen her.

Wie sehr ein paar Grad Celsius alte Gewissheiten verändern, zeigt ein Urlaub in England, der nicht als Badeurlaub geplant war, aber als solcher endet. Die Südküste Englands als neue Riviera hat das Potenzial, die Côte d'Azur des Nordens zu werden. Und es gibt trotz aller Hitze immer noch eine kühle Brise dazu. Der rosa gebratene Engländer und die Kinder mit blauen Lippen, die tapfer in die eisigen Wellen hüpften, sie sind ein Fall für die Geschichtsbücher geworden. Auch preislich bewegt sich das neue Strandparadies auf maledivischem Niveau.

Wo man zuviel zahlt, ist in diesem Sommer fast schon unerheblich geworden, schwebt doch eine Art Unwirklichkeit über diesen Wochen. Als ob die Abrechnung nicht kommen würde. Es ist die Art von Völle, die einen zum Entrümpeln zwingt. Der Kasten ist voll, aber nichts scheint mehr zu passen.

Eine neue Liste fällt einem ein: Geschenke, die niemals verwendet werden. Nummer eins ist der teure Schnaps, der auf Gäste wartet, die immer mit dem Auto da sind. Nummer zwei, ausgefallene Biere. Wer trinkt freiwillig Stout Ale mit Rum-Geschmack und 12 Prozent Alkohol? Es besteht der Verdacht, dass diese Exoten nur dafür produziert werden, um hergeschenkt, aber niemals getrunken zu werden. Nummer drei sind Dinge, die man aufstellen oder aufhängen muss. Soviel leere Wand hat niemand in seinem Leben. Und wenn doch, dann bekommt man etwas geschenkt. Damit es nicht so leer ausschaut.

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