Piraten verschleppten Hunderttausende Europäer nach Nordafrika.
Literaturwissenschaft

Vom Sklaven zum Bestsellerautor

Erzählungen aus der Gefangenschaft in Nordafrika waren im Europa der Frühen Neuzeit populäre Lektüre. Trotz fiktionaler Elemente sind sie wichtige historische Quelle.

Zwischen dem 16. und dem frühen 19. Jahrhundert war das Mittelmeer Spielwiese sowohl für christliche als auch für muslimische Piraten, die Hunderttausende Menschen auf hoher See entführten. Die Gefangenen der muslimischen Freibeuter wurden nach Nordafrika verschleppt und in den Gebieten des heutigen Libyen, Algerien und Tunesien sowie Marokko („Barbareskenstaaten“) versklavt. Einige derer, die sich freikaufen oder fliehen konnten, verfassten nach ihrer Rückkehr autobiografisch gefärbte, mitunter höchst spektakuläre Erlebnisberichte: sogenannte Barbary Captivity Narratives.

In den Händen von Barbarossa

Die erste bekannte Erzählung, die von Geschehnissen in den 1530er-Jahren berichtet, stammt vom deutschen Kaufmannssohn Balthasar Sturmer. Er verdingte sich, getrieben von Geldsorgen, erfolgreich auf einem christlichen Piratenschiff. Sein Glück währte nur kurz: Nach einem Angriff von türkischen Freibeutern geriet er in Gefangenschaft des berüchtigten Korsarenfürsten Hayreddin Barbarossa, der die Piraterie im 16. Jahrhundert groß gemacht hat. „Ein beeindruckender Text, in dem auch der Angriff von Kaiser Karl V. 1535 auf Tunis geschildert wird“, sagt Mario Klarer vom Institut für Amerikastudien der Uni Innsbruck. „Sturmers Bericht zeigt, wie fluide und flexibel Identität in der Frühen Neuzeit war. Er war Händler, Pirat, Sklave und hätte nach seiner Flucht sogar die Möglichkeit gehabt, selbst Sklavenhalter zu werden.“

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