Reportage

Manifesta in Pristina: Mehr als fünf Sterne

 Auf dem Dach des Grand Hotel in Pristina tanzen die Sterne: Petrit Halilaj zitiert (auf Albanisch) mit seiner Lichtinstallation „When the sun goes away, we paint the sky“ aus der Geschichte eines 12-jährigen Mädchens.
Auf dem Dach des Grand Hotel in Pristina tanzen die Sterne: Petrit Halilaj zitiert (auf Albanisch) mit seiner Lichtinstallation „When the sun goes away, we paint the sky“ aus der Geschichte eines 12-jährigen Mädchens.Manifesta/Arton Krasniqi
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Die 14. nomadische europäische Biennale ist die bessere Documenta. Sie versammelt nicht nur die spannendste junge Kunst der Region, sie führt auch durch eine wenig vertraute Stadt und Geschichte. 2028 will sie das in Kiew tun.

Die Sterne strahlen wieder auf dem Dach des Grand Hotel Pristina. Doch es sind mehr als die klassischen fünf, die bis 2010 noch über dem Namen des marmorverkleideten Kommunisten-Protzbaus leuchteten. In ihrer tänzelnden Vervielfältigung künden sie jetzt von einer unruhigen Geschichte. So unruhig wie die dieses kleinen Landes, das man gemeinhin als Konfliktregion abgespeichert hat – und das heuer herzlicher Gastgeber der nomadischen europäischen Biennale „Manifesta“ ist. Mit ihrer 14. Ausgabe macht sie die mehr beschaulich als wilde kosovarische Hauptstadt für den Kulturtourismus zugänglich, nimmt uns mit Plan an der Hand. Konzeptuell und künstlerisch ist die Manifesta eindeutig die bessere Documenta geworden, wer also die Wahl zwischen Kassel und Pristina hat, dem sei Letzteres ans Herz gelegt.

Wie man im obersten Stock des Grand Hotel sein Ohr an die Herzen riesiger bunter Puppen legen kann, die schlaff in den Ecken liegen. Auf Teppichen schmiegt man sich zwischen ihre gepolsterten, offenen Arme und Beine, wie Kokoschka es vielleicht mit seiner Alma-Puppe tat, nur sind diese hier weniger binär zuordenbar: Dardan Zhegrova, 1991 in Pristina geboren, lässt aus ihrem Inneren Gedichte über Begegnungen, Seitensprünge oder romantisches Sehnen raunen. Wobei der Blick aus dem schäbigen Panoramafenster über eine Stadt schweift, die man noch nicht genauer kennt, über ein Bautengewirr aus halb hohen Bürohäusern mit Cola-Werbeschildern, betonbrutalistischen Fantasy-Architekturen − wie der Nationalbibliothek mit ihren weißen Oberlichtkuppeln wie aus dem Kaugummi-Automaten − und Häuschen mit Stuck und Holzveranden.

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